Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 62

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65 Millionen, also um etwas über 50 Prozent gewachsen, während in derselben Zeit das stehende Heer sich verdoppelt hat. Das Militär wächst also zweimal so schnell wie die Bevölkerung. Wenn es so weitergeht, dann kann noch der Tag kommen, von dem der Kaiser schwärmt, da jeder dritte Mann den Rock des Königs trägt. Zu befürchten ist nur, daß dann die beiden anderen weder Rock noch Hose tragen werden. (Lebhafte Zustimmung.)

Die Kosten für das stehende Heer betrugen im Jahre 1 872 337 Millionen. Im Jahre 1910 sind sie auf 925 Millionen gewachsen. In den 40 Jahren des Friedens haben wir für unser stehendes Heer nicht weniger als 23 Milliarden ausgegeben. Da ist es kein Wunder, daß das Volk am Hungertuche nagt.

Zu diesen Ausgaben kommen noch diejenigen für die Marine. Sie verdienen besondere Beachtung, weil gerade sie mit dem Imperialismus und der Weltpolitik in erster Linie zusammenhängen. Im Jahre 1872 betrugen diese Ausgaben pro Jahr 30 Millionen. Bismarck, ein Reaktionär, der wenigstens einen Kopf auf den Schultern hatte, sah ein, daß ein erstklassiges Landheer und eine erstklassige Flotte die Mittel des Reiches erschöpfen müßten. Er widersetzte sich deshalb auch lange der Kolonialpolitik, bis auch er schließlich in den 80er Jahren seinen Widerstand aufgab. Mit der Thronbesteigung des jetzigen Instruments des Himmels ist ein Wendepunkt eingetreten. Es kamen die Reden vom Dreizack in unserer Faust, von unserer auf dem Wasser liegenden Zukunft usw. Die Flotte wurde vermehrt. Dabei zahlte nicht das Instrument des Himmels, sondern das Volk die Rechnung. Betrugen die Marineausgaben im Jahre 1888 noch 54 Millionen, so waren sie im Jahre 1911 auf 460 Millionen gestiegen. Die Summen, die wir bisher insgesamt für die Flotte zahlen, belaufen sich auf 5 Milliarden, so daß für Heer und Marine zusammen ein Aufwand von nicht weniger als 28 Milliarden erwuchs. Das ist eine ungeheure Summe.

Die Sozialdemokratie geht bei ihrer Kritik nicht nur vom Geldstandpunkt aus, sondern sie beachtet auch die ganze politische Lage. Es wird behauptet, der gegenseitige Kampf liege in der menschlichen Natur. Wer nicht rüste, laufe Gefahr, die Beute des Nachbarn zu werden. Wir sind anderer Meinung. Die Völker sollen und können ohne Unterschied der Rasse und Farbe zusammen in Frieden leben. Nur dann kann man von Kultur reden, wenn Bande der Solidarität die Völker umschlingen. Solange die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen nicht abgeschafft ist, ist diese Solidarität nicht möglich. (Lebhafte Zustimmung.)

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