Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 433

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sammenschluß und das Äußern der Wünsche zur Beseitigung der eigenen „Notlage“ zur Pflicht. Und auch hier tummeln sich außerdem munter allerlei freie Vereine, die namentlich im Landwirtschaftsrat eine machtvolle Spitze haben. Hier erscheint der Kaiser, um vor seinen getreuen Vasallen und unter ihrem jubelnden Chor Trutzreden zu halten. Hier machen preußische Minister ihre gehorsame Aufwartung, hier werden Hungerzölle dem Volke zudiktiert. Dieselben Junker finden sich wieder in der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft zusammen, um durch allerlei technische Unternehmungen, Ausstellungswesen und dergleichen die Staatsorgane für ihre Tascheninteressen dienstbar zu machen. Dieselben Junker sind in festen Spezialverbänden zusammengeschlossen, die Ritter von der Runkelrübe für sich, die von der Stärke, vom Spiritus, von der Bullenzucht nicht minder – und alle sie sind eifrig daran, mit Hilfe der Behörden auf Kosten des Publikums ihre patriotischen Taschen zu füllen.

Wollen endlich die Handwerker und Kleingewerbetreibenden gegen die bestehende Verfassung konspirieren, auf die Gewerbefreiheit Attentate planen, auf Kosten der Allgemeinheit und entgegen dem wirtschaftlichen Fortschritt für ihre verwirkte Existenz künstliche Hilfsmittel erlangen – ihnen stehen der Handwerkerbund, der Zentralausschuß, der Verband der Gewerbevereine, die Innungen, endlich die Zwangsorganisation der Handwerkskammern zur Verfügung.

So rückt, wohin wir blicken, alles Ausbeutertum der Arbeiterschaft straff organisiert entgegen, und jeder Tag richtet neue Bollwerke auf, führt den Zusammenschluß der alten strenger durch. Es ist dies ein ganzes dichtmaschiges Netz mit Kreuz- und Querfäden, vielfältig verknotet. Und all das System des organisierten Ausbeutertums läuft auf das eine Endziel hinaus: die Ausbeutung zu steigern, die Arbeiterklasse niederzuringen auf jedem Gebiete, in jeder Weise, mit jeglicher Waffe. Hier liegen auf Schritt und Tritt Politik und Wirtschaft, Legalität und flagranter Gesetzesbruch, Öffentlichkeit und lichtscheues verbrecherisches Treiben so eng beieinander wie im Wesen der kapitalistischen Ausbeutung überhaupt.

Und all das unter dem milden Auge des Staates. Dem organisierten Räuberhandwerk des kapitalistischen Besitzes scheint die Sonne der Gesetzlichkeit, vor ihm verneigen sich Regierung, Reichstag, Landtag und Gemeinderäte, ihm stehen alle Behörden – vom Reichskanzler und Reichsgericht bis zum klobigen Schutzmann und Krähwinkler Schöffengericht herab – dienstbeflissen zu Befehl.

Und derselbe Staat verweigert hartnäckig das Recht auf jegliche Schutzorganisation den Landarbeitern, dem Gesinde wie den Staatsangestellten!

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