Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 434

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Derselbe Staat sucht jetzt durch Nücken und Tücken einer infamen Gerichts- und Polizeipraxis, durch die schleichende Niedertracht gesetzlicher Kautschukparagraphen auch dem Industrieproletariat das Koalitionsrecht zu entreißen! Selbst bis an die Zähne bewaffnet, wie mittelalterliche Raubritter vom Scheitel bis zur Zehe in eiserne Panzer gehüllt, wollen die Ausbeuter ihre Opfer völlig entwaffnen, ganz wehrlos machen, um ihnen ohne Mühe das Knie auf die Brust zu drücken! Hier haben wir ein Bild des heutigen Klassenstaates in seiner ganzen brutalen Infamie. Und deshalb predigt der jetzige Kreuzzug gegen das Koalitionsrecht nicht bloß den Arbeitermassen die Notwendigkeit, ihr Recht auf Organisation mit Zähnen und mit Nägeln zu verteidigen. Er verkündet auch noch jedem Proletarier, dessen Seele nicht abgestorben ist, mit Donnerwort die gebieterische Pflicht, gegen diesen Klassenstaat selbst einen Kampf auf Tod und Leben zu führen. Er verkündet die dringende Notwendigkeit, für den Sozialismus zu kämpfen, für die Ausrottung einer niederträchtigen Gesellschaftsordnung, die für eine Handvoll Parasiten des Volkes die weichen Arme einer liebenden Mutter hat, während sie die fronenden Massen mit Skorpionen züchtigt.

Sozialdemokratische Korrespondenz (Berlin),
Nr. 45 vom 23. April 1914.

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