Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 401

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Welt wohl ohne die ostelbischen Junker und ohne Zentrumsgrafen, ohne Geheimräte und zur Not auch ohne Schutzleute auskommen kann, daß sie aber nicht vierundzwanzig Stunden zu existieren vermag, wenn die Arbeiter einmal die Arme kreuzen.“[1]

Sie sehen, hier spreche ich deutlich aus, wo wir den Schwerpunkt des politischen Lebens und der Geschicke des Staates erblicken: im Bewußtsein, im klar geformten Willen, in der Entschlossenheit der großen arbeitenden Masse. Und genauso fassen wir die Frage des Militarismus auf. Wenn die Arbeiterklasse zu der Erkenntnis und dem Entschluß kommt, die Kriege nicht zuzulassen, dann sind die Kriege unmöglich geworden.

Aber ich habe der Beweise noch mehr, daß wir so und nicht anders die antimilitaristische[2] Agitation verstehen. Ich muß mich überhaupt wundern: Der Herr Staatsanwalt gibt sich die größte Mühe, durch Deutungen, Vermutungen, willkürliche Deduktionen aus meinen Worten herauszudestillieren, auf welche Art und Weise ich etwa beabsichtigt haben mochte, gegen den Krieg vorzugehen. Und dabei lag vor ihm das Beweismaterial in Hülle und Fülle. Wir betreiben unsere antimilitaristische Agitation nicht etwa im geheimen Dunkel, im Verborgenen, nein, im hellsten Licht der Öffentlichkeit. Seit Jahrzehnten bildet der Kampf gegen den Militarismus einen Hauptgegenstand unserer Agitation. Schon seit der alten Internationale bildet er den Gegenstand von Erörterungen und Beschlüssen fast sämtlicher Kongresse sowie deutscher Parteitage. Hier brauchte der Herr Staatsanwalt nur ins volle Menschenleben hineinzugreifen, und wo er es gepackt hätte, da wäre es interessant. Das ganze betreffende umfangreiche Material kann ich leider nicht hier vor Ihnen ausbreiten. Aber das Wichtigste wenigstens gestatten Sie mir hier anzuführen.

Schon der Brüsseler Kongreß der Internationale im Jahre 1868 weist auf praktische Maßnahmen zur Verhinderung des Krieges hin. Er sagt unter anderem in seiner Resolution:

„daß die Völker schon jetzt die Zahl der Kriege vermindern können, indem sie sich jenen entgegenstellen, die die Kriege machen und erklären;

daß dieses Recht vor allem den arbeitenden Klassen zusteht, die beinahe allein zum militärischen Dienst herangezogen werden und ihm daher allein eine Sanktion erteilen können;

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[1] Rosa Luxemburg: Der preußische Wahlrechtskampf und seine Lehren. In: GW, Bd. 2, S. 323.

[2] In der Quelle: militaristische.