Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 351

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nach den bekannten Bezeichnungen des Konvents der Großen Französischen Revolution, den Sumpf genannt hat:

„Es ist immer und ewig der alte Kampf, hier links, dort rechts, und dazwischen der Sumpf. Das sind die Elemente, die nie wissen, was sie wollen, oder, besser gesagt, die nie sagen, was sie wollen. Das sind die ‚Schlaumeier‘, die immer erst horchen: Wie steht’s da, wie steht’s hier? die immer spüren, wo die Majorität ist, und dorthin gehen sie dann. Diese Sorte haben wir auch in unsrer Partei. Eine ganze Anzahl ist jetzt bei diesen Verhandlungen ans Licht des Tages gekommen. Man muß diese Parteigenossen denunzieren (Zuruf: ‚Denunzieren!?‘), ja, ich sage ja, denunzieren, damit die Genossen wissen, was das für halbe Leute sind. Der Mann, der wenigstens offen seinen Standpunkt vertritt, bei dem weiß ich, woran ich bin, mit dem kann ich kämpfen, entweder er siegt oder ich, aber die faulen Elemente, die sich immer drücken und jeder klaren Entscheidung aus dem Wege gehen, die immer wieder sagen: Wir sind ja alle einig, sind ja alle Brüder, das sind die allerschlimmsten! Die bekämpfe ich am allermeisten.“[1]

Die Rolle dieses „Sumpfes“ ist – trotz der Unentschiedenheit der Ansichten seiner einzelnen Mitglieder – in jeder politischen Körperschaft und auch in unserer Partei eine ganz bestimmte. Während der ganzen letzten Periode der Kämpfe mit dem Revisionismus unterstützte der Sumpf den linken Flügel der Partei und bildete mit ihm die kompakte Mehrheit gegen den Revisionismus, brachte ihm gemeinsam mit der Linken eine eklatante Niederlage nach der anderen bei. Was ihn dazu bewog, war das scheinbar konservative Element, das es zu verteidigen galt. Es mußte doch „die alte bewährte Taktik“ gegen revisionistische Neuerungen geschützt werden. Und was diesem Abwehrkampf die Weihe in den Augen aller mittleren Elemente verleihen mußte: An der Spitze des Kampfes standen oberste Instanzen, anerkannte Autoritäten. Der Parteivorstand, das wissenschaftliche Zentralorgan der Partei, altbewährte Namen, wie Singer. Liebknecht, Bebel, Kautsky, fochten in den ersten Reihen. So war alle beruhigende Gewähr für die Elemente des Sumpfes gegeben, daß sich das Traditionelle und Hergebrachte auf dieser Seite befand.

Die imperialistische Periode, die verschärften Verhältnisse der letzten Jahre stellen uns aber vor neue Situationen und Aufgaben. Die Notwendigkeit, der Partei bei all ihrer massiven Breite eine größere Beweglich-

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[1] Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Dresden vom 13. bis 20. September 1903, Berlin 1903, S. 319.