Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 332

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tig!“) Wenn das zutrifft, so war der Parteivorstand als erster verpflichtet zu alarmieren, die ganze Partei mit der Frage zu beunruhigen; wenn wir so wenig erreicht haben, dann ist es höchste Zeit, daß wir nach Mitteln und Wegen suchen, um die Massen endlich zur sozialistischen Auffassung zu erziehen. („Sehr richtig!“) Statt dessen haben wir Beruhigungsgründe auf allen Gebieten. Soweit die Zustände innerhalb der Partei. Nun gibt es aber eine ganze Reihe von Momenten in der politischen und wirtschaftlichen Situation, die wirklich dazu angetan sind, Führer einer Viermillionenpartei zum ernsten Nachdenken über die Taktik und zur Nachprüfung unserer bisherigen Taktik zu veranlassen. Da macht der Imperialismus einen gewaltigen Vorstoß mit der letzten Militärvorlage, wie wir ihn seit Jahrzehnten nicht gehabt haben. Da ist das Verhalten der bürgerlichen Parteien – eine neue Konstellation – gegen uns zu verzeichnen. Denn was haben wir erlebt? Während der Kämpfe gegen die Wehr- und die Deckungsvorlagen haben sich diejenigen Liberalen, auf die viele Hoffnungen während der letzten Reichstagswahlen[1] in unseren Reihen wachgerufen wurden, nicht etwa unserem Kampfe angeschlossen, um eine gründliche Finanzreform durchzusetzen und den Schwarz-Blauen Block[2] zu bekämpfen, sondern sie haben sich mit dem famosen Schwarz-Blauen Block zusammengefunden. Sie sind uns in den Rücken gefallen und haben sich mit dem Zentrum verbunden. Ernste Politiker mußten diese neue Situation in der Kombination der Parteien verfolgen. Ich weise darauf hin, daß in den letzten Tagen ein Leitartikel der „Vossischen Zeitung“ über die preußische Wahlreform gesagt hat: Die einzige Hoffnung auf die Wahlreform – das schreibt ein freisinniges Blatt – liege jetzt beim Zentrum. Mit diesem zusammen sollten die Liberalen jetzt eine Wahlreform machen. Und was für eine Wahlreform? Nicht etwa die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts, sondern eine bessere Verteilung der Abteilungen in diesem Dreiklassenwahlrecht. Was bedeutet denn diese neue Kombination? Sie zeigt, daß der Liberalismus, nachdem er sich vor einigen Jahren durch die Paarung mit den Konservativen bis auf die Knochen blamiert hat, jetzt die letzte von der Geschichte gebotene Möglichkeit, noch mehr in der Gesinnung zu verlumpen, ergreifen will, um mit dem Zentrum eine Paarung gegen uns einzugehen. („Sehr richtig!“) Was ist das anderes, Genosse Scheidemann, als der schmähliche Zusammenbruch Eurer ganzen Dämpfungstaktik seit den letzten Reichstagswahlen. (Zuruf vom Parteivorstand: „Ach, Unsinn!“) Parteigenossen, wenn unsere

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[1] Die Reichstagswahlen wurden am 12. Januar 1912 durchgeführt. Die Sozialdemokratie konnte dabei 4,2 Millionen Stimmen gegenüber 3,2 Millionen im Jahre 1907 erringen und die Zahl ihrer Mandate von 43 auf 110 erhöhen. Sie wurde damit die stärkste Fraktion des Reichstags.

[2] Der Schwarz-Blaue Block oder Schnapsblock war eine Gruppierung im Reichstag, die sich im Sommer 1909 aus Vertretern der Deutschkonservativen Partei des ostelbischen Junkertums und der klerikalen Zentrumspartei gebildet hatte.