Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 303

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Und weiter:

„Wir leben in einer Phase, wo die wichtigsten politischen Fragen nur noch durch das eigene Eingreifen breiter Massen beeinflußt werden können … Aber umgekehrt garantiert die Anwendung des Massenstreiks durchaus noch nicht den Elan und die Wirksamkeit der sozialdemokratischen Aktion im ganzen … Nicht der Massenstreik in irgendeinem bestimmten Fall an sich ist das Entscheidende, sondern die politische Offensive in der Gesamthaltung der Partei.“[1]

Und endlich besonders in bezug auf den preußischen Wahlrechtskampf:

„Jedennoch wäre es ein verhängnisvoller Irrtum, sich einzubilden, die preußische Wahlrechtsfrage könnte durch irgendeinen etwa vom Parteitag oder in dessen Auftrag beschlossenen Massenstreik wie der Gordische Knoten durch einen Schwerthieb durchhauen werden …, nicht die ‚Vorbereitung‘ zu irgend‚einem‘ Massenstreik liegt uns gegenwärtig ob, sondern die Vorbereitung unsrer Organisation zur Tauglichkeit für große politische Kämpfe, nicht die ‚Erziehung der Arbeiterklasse zum Massenstreik‘, sondern die Erziehung der Sozialdemokratie zur politischen Offensive.“[2]

So sieht die fanatische, putschistische, syndikalistische Propaganda des Massenstreiks aus, so die „kategorische Forderung“, die Partei soll einen spontanen Massenstreik „künstlich schaffen, und zwar sofort“.

Ebenso bringt es Kautsky fertig, meine Äußerungen über das Verhältnis von Organisierten und Unorganisierten bei großen Massenaktionen ungeniert auf den Kopf zu stellen. Was ich in der „Leipziger Volkszeitung“ nachzuweisen suchte, war genau derselbe Gedanke, den ich bereits vor sieben Jahren in meiner Broschüre über den Massenstreik[3] – damals unter Kautskys lebhaftem Beifall – ausgeführt hatte: daß die Sozialdemokratie mit großen politischen Massenaktionen weder darauf zu warten brauche noch auch könne, bis die gesamte Arbeiterklasse gewerkschaftlich und politisch organisiert wird, vielmehr daß auch die unorganisierten oder gegnerisch organisierten Massen uns Heerbann leisten werden, wenn die Partei es versteht, sich in entsprechender Situation an die Spitze einer Massenaktion zu stellen.

„Die Sozialdemokratie“, schrieb ich, „hat allerdings dank der theoretischen Einsicht in die sozialen Bedingungen ihres Kampfes in einem nie

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[1] Ebenda, S. 248 f. – Hervorhebung nur hier.

[2] Rosa Luxemburg: Taktische Frage. In: GW, Bd. 3, S. 254 u. 256.

[3] Rosa Luxemburg: Massenstreik, Partei und Gewerkschaften. In: GW, Bd. 2, S. 91–170.