Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 281

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brauchssteuern aus, nunmehr kann er nicht mit diesen Mitteln allein auskommen. Und waren die direkten Steuern bisher den Einzelstaaten, d. h. der übrigen Domäne des kapitalistischen Staates außerhalb des Militarismus vorbehalten, so wird nunmehr auch diese Quelle der öffentlichen Mittel in den Machtbereich des Militarismus gezogen, von ihm teilweise aufgesogen werden.

Was folgt daraus? Es folgt erstens, daß die herrschenden Klassen nunmehr auch selbst gewisse Kosten für die Erhaltung ihres „geschäftsführenden Ausschusses“, des militaristischen Klassenstaats, beitragen müssen – Kosten, die jedoch durch den Bedarf des Militarismus zum größten Teil wieder in die Taschen der schweren Industrie und der Finanz wandern, dadurch aber durch tausend Kanäle den Blutkreislauf der ganzen kapitalistischen Wirtschaft beleben, den Puls der Ausbeutung anspannen, die Profitmacherei stärken und ausdehnen. Es folgt zweitens, daß die unter solchen Umständen, in solchem ökonomischem und politischem Zusammenhang eingeführten direkten Steuern nicht ein Mittel sind, bestehende indirekte Steuern zu ersetzen oder auch nur neue zu „verhüten“, sondern daß sie, indem sie dem Wachstum des Molochs Militarismus neue Nahrung zuführen, die sicherste Gewähr für neue indirekte Steuern in nicht ferner Zukunft in ihrem Schoße tragen. Lassen sich auch die Belastungen der Volksmasse nicht schrankenlos und nicht in jedem Augenblick, wie es nunmehr das Kommando des Militarismus erheischt, durchsetzen, so bildet dafür jede Besitzsteuer einen neuen kräftigen Stachel, um bei der nächsten Möglichkeit, bei der nächsten besseren Konjunktur Kompensationen in Gestalt von neuen indirekten Steuern zu fordern. Die Finanzgeschichte der modernen großkapitalistischen Staaten bietet Beispiele genug dafür, und schon an ihrer Schwelle leuchtet ein Beispiel klassischer Art. Während des Bürgerkrieges der amerikanischen Union ist ein „patriotischer Wehrbeitrag“ in Gestalt von unerhörten Kriegssteuern eingeführt worden, die jedes Vermögen, jedes Einkommen, jedes Gewerbe rücksichtslos anpackten. Hätten unsre Südekum und David damals im Washingtoner Kongreß gesessen, sie würden diesen rücksichtslosen Angriff auf die Taschen der Besitzenden wahrscheinlich nicht mehr für den Anfang einer neuen finanzpolitischen Weltwende im Sinne des sozialdemokratischen Programms, sondern schon direkt für den leibhaftigen sozialistischen Staat erklärt haben und natürlich, „da der Krieg nun einmal trotz unseres Protestes Tatsache war“ und es sich nur noch darum handelte, „seine Kosten den Besitzenden aufzubürden“, für diese blutigen Besitzsteuern samt und sonders gestimmt haben. Die Folge der Kriegs-

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