Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 248

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sich an monarchischen Kundgebungen beteiligen[1] und in Preußen den Massenstreik proklamieren, vor wenigen Monaten dem Bethmann Hollweg im Reichstag das Vertrauen der Sozialdemokratie in der auswärtigen Politik aussprechen[2] und ein halbes Jahr darauf die Massen auf die Straße rufen – das ist politische Seiltänzerei, das ist Gelegenheitspolitik, die nur geeignet ist, der Sozialdemokratie sowohl im Parlament wie auf der Straße ein Fiasko zu bereiten.

Der Massenstreik ist an sich genausowenig ein wundertätiges Mittel, um die Sozialdemokratie aus einer politischen Sackgasse zu retten oder eine haltlose Politik zum Siege zu führen, wie der Wahlkampf und jede andre Kampfform. Er ist eben an sich auch nur eine Kampfform. Es ist aber nicht die technische Form, die den Ausgang des Kampfes, den Sieg oder die Niederlage entscheidet, sondern der politische Inhalt, die angewandte Taktik im ganzen.

Wir leben in einer Phase, wo die wichtigsten politischen Fragen nur noch durch das eigene Eingreifen breiter Massen beeinflußt werden können: Die plötzlichen Wendungen der internationalen Lage, Kriegsgefahr, Wahlrechtsfragen, Ehrenfragen der Arbeiterklasse, erfordern gebieterisch die Aktion der Massen. Treten diese in entscheidenden Momenten nicht auf, dann wird die Aktion der Partei flügellahm, es fehlt ihr der Stachel, und die Partei empfindet schmerzlich selbst ihre Unzulänglichkeit. Aber umgekehrt garantiert die Anwendung des Massenstreiks durchaus noch nicht den Elan und die Wirksamkeit der sozialdemokratischen Aktion im ganzen. Wird der Massenstreik zum Beispiel verkoppelt mit einer Taktik, die allgemeine Unentschlossenheit mit vereinzelten energischen Vorstößen, gelegentliche Massenaktionen mit parlamentarischen Illusionen in bezug auf die Mitwirkung des Liberalismus paart, die Massen nach Belieben hin und her schieben will, sie bald ins Feuer schickt, bald wieder mitten in der Schlacht abwinkt, dann kommen die Massenstreiks auf ohnmächtiges Experimentieren hinaus, das trotz des größten Opfermuts kläglich scheitern muß. Die Schicksale des belgischen Wahlrechtskampfes seit zehn Jahren sollten in dieser Hinsicht ein warnendes Exempel für die internationale Sozialdemokratie sein.

Nicht der Massenstreik in irgendeinem bestimmten Fall an sich ist das Entscheidende, sondern die politische Offensive in der Gesamthaltung

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[1] Vorwiegend Vertreter aus der badischen und württembergischen Landtagsfraktion beteiligten sich im Widerspruch zu den Grundsätzen und Beschlüssen der Sozialdemokratischen Partei bei verschiedenen Anlässen an Huldigungen für die Monarchie.

[2] Eduard David hatte am 3. Dezember 1912 im Namen der sozialdemokratischen Fraktion eine Erklärung abgegeben. Er befürwortete die imperialistische Außenpolitik und erklärte die deutsche Sozialdemokratie zu einer Stütze des Dreibundes, sofern dieser ein „Defensivbündnis“ darstelle.