Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 227

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rüttelung der Massen vor und nach dem Baseler Kongreß mit ihre Früchte getragen.

Bei uns in Deutschland ist nach Basel zur Ausnutzung des internationalen Kongresses leider so gut wie nichts getan worden: keine Demonstrationen, keine Versammlungen, mit dem Baseler Kongreß fand bei uns die besondere Aktion gegen den Krieg ein Ende. Für die Massenagitation ist die ausgezeichnete Gelegenheit eigentlich ungenutzt geblieben.

Dafür erfolgte bald eine parlamentarische Aktion unserseits, die zum Geiste des Baseler Kongresses im schroffen Widerspruch stand und nur geeignet war, verwirrend zu wirken. Wir meinen die Fraktionsrede des Genossen David vom 3. Dezember[1], worin er öffentlich die deutsche Sozialdemokratie für eine Stütze des Dreibunds erklärte und, mit dem abgebrauchten armseligen Schema vom Angriffskrieg und Verteidigungskrieg arbeitend, die Stellung unsrer Partei in der auswärtigen Politik in dem Wunsche kulminieren ließ, der Dreibund solle, nicht seinen realen Macht- und Interessenverhältnissen, sondern seinem papiernen diplomatischen Wortlaut von ehemals getreu, nur ein „Defensivbündnis“ sein. Daß eine Stellungnahme für den Dreibund – gemildert nur durch den utopistisch kleinbürgerlichen Versuch, dem Distelstrauch einzureden, daß er eigentlich Feigen tragen sollte –, daß eine solche Kundgebung der Sozialdemokratie, noch dazu im Moment der Erneuerung des Dreibunds, zu der Stellung des Baseler Kongresses wie die Faust aufs Auge paßte, läßt sich bei ruhiger Überlegung gar nicht bestreiten.

Zeigte sich schon in diesem Mißklang eine gewisse Unklarheit und Unsicherheit unsrer Aktion, so sollte diese Unsicherheit angesichts der Militärvorlage leider noch deutlicher zum Vorschein kommen. Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß die Partei des Proletariats der ungeheuerlichen Militärvorlage nicht allgemeine Redensarten, sondern[2] Welcher Art diese Forderungen waren, das mußte sich nicht etwa aus neuen schlauen Erfindungen, Kombinationen und Improvisationen ergeben, sondern – aus unserm alten, bewährten, offiziellen Parteiprogramm. Die Milizforderung gehört wohlgemerkt zu unsern Minimalforderungen, d. h. zu dem geringsten, was wir im Rahmen des kapitalistischen Staates auf militärischem Gebiet zu fordern haben. Was selbstverständlicher, als daß die Militärvorlage sofort ausgenutzt werden mußte, um unsre Programmlosung der Volkswehr mit dem größten Nachdruck in den Mittelpunkt der Kämpfe und der Agitation zu stellen.

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[1] Diese Erklärung hatte Eduard David bereits am 3. Dezember 1912 im Namen der sozialdemokratischen Fraktion abgegeben. Er befürwortete die imperialistische Außenpolitik und erklärte die deutsche Sozialdemokratie zu einer Stütze des Dreibundes, sofern dieser ein „Defensivbündnis“ darstelle.

[2] Unvollständiger Satz in der Quelle.