Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 175

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russischen Genossen gegen die polnische Parteileitung den größten Haß empfinden und ihm gern bei dieser Gelegenheit Ausdruck verleihen, wenn man weiß, daß die polnischen Parteiführer nicht bloß aus der polnischen Bewegung einen starken Damm gegen die opportunistische Richtung errichtet haben, sondern daß sie auch als Mitglieder des russischen Zentralkomitees geholfen haben, jene Richtung in Rußland selbst mit starker Faust jahrelang niederzuhalten, und dadurch in schärfsten Gegensatz zu Axelrod und seinen Freunden geraten sind.

Dies alles gehört zu den wenig erquicklichen Interna der russischen Bewegung, die in die deutsche Presse hineinzuzerren sicher weder klug noch notwendig war. Daß aber ein ernstes deutsches Parteiblatt auf diese ganze Mache so blindlings hereinfällt und noch ohne jegliche nähere Kenntnis der Sache und der Verhältnisse, einzig und allein auf die Sachdarstellung Radeks hin, sich herausnimmt, die Führer und Instanzen einer Bruderpartei öffentlich in schwerster Weise zu verdächtigen – der redaktionelle Leitartikel vom 9. d. M. leistet sich in dieser Hinsicht so ziemlich das Unerhörteste, was man sich vorstellen kann –, das finde ich einfach unverzeihlich. Die „Bremer Bürger-Zeitung“ wendet sich mit Recht gegen das Treiben der opportunistischen Blätter, welche die Person Radeks partout mit der Göppinger Sache[1] und überhaupt mit der radikalen Richtung verkoppeln möchten. Es ist aber dieselbe widersinnige Taktik von umgekehrter Seite, wenn unsere Bremer Freunde gewaltsam die Radeksche Person zur Fahne des Radikalismus machen wollen. Dabei erledigt sich die Legende von dem politischen Märtyrertum Radeks durch zwei ganz einfache Tatsachen. Erstens sind die polnischen Wortführer ohne Ausnahme selbst Vertreter der radikalen Richtung und haben – jeder einzelne von ihnen – in ihrer 20jährigen Arbeit in der russisch-polnischen Bewegung mehr für die Sache des revolutionären Marxismus geleistet als zwei Dutzend Radeks. Zweitens hat Radek nie in der polnischen Bewegung die geringste Rolle als Vertreter irgendeiner besonderen Richtung gespielt, nie an der Bestimmung der Haltung dieser Partei in prinzipieller und taktischer Hinsicht im geringsten teilgenommen, überhaupt ist nie in den brennenden Fragen der Theorie und der Taktik meines Wissens auch nur ein polnischer Artikel von ihm veröffentlicht worden. Mir ist nur ein nicht veröffentlichter Artikel Radeks in einer taktischen Streit-

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[1] Im Januar 1912 war der Parteistreit um die in Göppingen von August Thalheimer herausgegebene „Freie Volkszeitung“, an der auch Karl Radek zeitweilig mitarbeitete, offen ausgebrochen. Die Vertreter des württembergischen Landesvorstandes und der sozialdemokratische Parteivorstand inszenierten eine rein formalistische Kampagne gegen die Zeitung, um sie wegen ihrer prinzipiellen Kritik an der Politik der Parteiführung mundtot zu machen.