Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 132

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liefert haben. („Hört! Hört!“) Die ganze Rechnung des Parteivorstandes ist also auf Sand gebaut, denn man mußte sich von vornherein sagen, an diesen Liberalen ist Hopfen und Malz verloren.

Noch eins sei hervorgehoben. Von jenen 16 Wahlkreisen, die wir selbst den Fortschrittlern preisgegeben haben, haben wir zur Überraschung der Welt zwei gewonnen. (Heiterkeit.) Es hieß, es seien aussichtslose Kreise. Wie ist das gekommen? Als am ersten Stichwahltage die erschütternde Kunde von dem Verrat der Fortschrittler in die Welt telegrafiert wurde, haben sich unsere Genossen gesagt, hol der Teufel diese Abmachungen, und sie haben gesiegt. (Lebhaftes „Bravo!“)

Was war der allgemeine Zweck des Abkommens? Der Parteivorstand hat die allgemeinen politischen Kombinationen damit verbunden. Es sollte die herrschende Reaktion, der Schwarz-Blaue Block, zerschmettert werden. Ich frage, wer sollte diesen Block zerschmettern? Es erschienen die Herren Kopsch, Wiemer und die schwankenden Gestalten der Fraktion Drehscheibe[1] auf der Weltbühne, um mit der Sozialdemokratie die Reaktion zu zerschmettern. Haben wir nicht im ganzen Wahlkampfe den Wählern bewiesen, daß zwischen den Herren Liberalen, den Heiden des Bülow-Blocks, und den rechtsstehenden reaktionären Parteien nur ein feiner Unterschied zu finden ist? Und diese traurigen Helden sollten plötzlich als die Zerschmetterer der Reaktion auftreten? Liegen die Wurzeln der Herrschaft der Reaktion nicht in den Erscheinungen, die ich eingangs geschildert habe? Was kann daraus anderes entstehen als die große Reaktion, die sich auf allen Gebieten zeigt. Und gegen derartige Erscheinungen will man mit solchen falschen Papieren, wie dem Stichwahlabkommen, aufkommen.

Wir haben uns aus tausendfältigen Erfahrungen überzeugen können, daß es nur ein Mittel gibt, die deutsche Reaktion zu zerschmettern, das ist die große Massenbewegung. („Sehr richtig!“) Wir haben ein lebendiges Beispiel vor Augen. Denken Sie an das preußische Wahlrecht. Es hat sich gezeigt, daß auf dem Wege der parlamentarischen Reform die preußische Zwingburg nicht heruntergerissen werden kann, es hat sich herausgestellt, daß nur ein frischfröhlicher revolutionärer Sturm der Arbeiterklasse zum Siege führen kann. (Lebhafte Zustimmung.) Die erste Aufgabe und Pflicht, die sich für uns aus dem Wahlsieg ergab, war, den 41/4 Millionen Wählern zu sagen, ihr habt jetzt eure Macht gezeigt, ihr müßt sie auch zu gebrauchen lernen. Ihr müßt jetzt als Masse auf den Kampfplatz und müßt für das preußische Wahlrecht und für den Acht-

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[1] Siehe S. 120, Fußnote 2.