Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 133

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stundentag auf der Straße kämpfen. Allerdings soll die Masse nicht jeden Freitag und Sonnabend eine Revolution machen. (Heiterkeit.)

Ich habe diese Ausführungen nicht gemacht aus Freude darüber, in der Führung unserer Partei Fehler und Mängel entdeckt zu haben. Wie gesagt, Fehler können nicht ausbleiben, aber die Hauptsache ist, daß sie rechtzeitig erkannt werden. Die Fehler der Führer gutzumachen, dazu ist die Masse der Parteigenossen berufen. Bebel hat auf einem der letzten Parteitage die denkwürdigen Worte gesprochen: „Mißtraut euren Führern, auch mir!“[1] Ich mache jetzt Gebrauch von dieser Auffassung. Es ist damit nicht gesagt, daß wir unsre Führer verdammen und verurteilen wollen. Wer würde einen Moment einen Zweifel daran haben, daß unser Parteivorstand von den besten Absichten geleitet war. Leider ist die gute Absicht in verkehrter Weise zum Ausdruck gekommen. Jetzt hat sich die große Masse der Parteigenossen mit der Aufgabe zu beschäftigen, die richtige Taktik zu finden. Wenn sie dann mit verzehnfachter Kraft dem Ziele der Sozialdemokratie zulenkt, so können wir sagen, daß auch die Fehler nicht umsonst gemacht sind. (Stürmischer, andauernder Beifall.)

Bremer Bürger-Zeitung,

Nr. 53 vom 2. März 1912.

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[1] „Demokratisches Mißtrauen und nochmals demokratisches Mißtrauen gegen alle ohne Ausnahmen, auch gegen mich. Seht den Führern auf die Finger, seht auch Euren Redakteuren auf die Finger.“ (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten in Magdeburg vom 18. bis 24. September 1910, Berlin 1910, S. 253.)