Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 130

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-3/seite/130

von den bürgerlichen Parteien freilich gewöhnlich im geheimen gemacht. Warum? Weil die Herrschaften ihre guten Gründe haben, Heimlichkeiten zu treiben, denn ihre Wahlgeschäfte sind Schwindelgeschäfte. Das ist gewöhnlich Prinzipienverrat, der hinter dem Rücken der Wähler getrieben wird. Wir Sozialdemokraten kennen solche Geschäfte nicht, die das Licht der Welt zu scheuen hätten. Fehler werden allerdings überall gemacht, das schlimmste aber ist, wenn ein Fehler verborgen bleibt. Wir Sozialdemokraten, die wir eine Partei der Massen sind, dürfen nicht über die Köpfe der Wähler hinweg ein Wahlabkommen mit anderen Parteien treffen. Es ist unsere Pflicht als Partei, den Wählern unsere Gründe vorzutragen, damit sie mit vollem Bewußtsein unsere Politik mitmachen. Für die bürgerlichen Parteien sind die Wähler das Mittel zur Eroberung von Mandaten. Für uns ist die Wählermasse der „große Mann“, der Geschichte macht. Es ist auch sicher nicht der Wille und die Absicht unseres Parteivorstandes gewesen, geheime Wahlabmachungen zu treffen. Ich war nicht dabei, aber ich möchte meine Hand dafür ins Feuer legen, daß der Vorstand willens war, offen und ehrlich die Sache vor der Welt zu machen. Aber da zeigt sich die erste Folge des Zusammengehens mit der liberalen Partei. Die Fortschrittler haben es machen müssen, weil sie sich vor der Reaktion nicht öffentlich blamieren wollten. (Heiterkeit.) Sie haben gesagt, wie es bei Heine heißt:

Blamier mich nicht, mein schönes Kind,

und grüß mich nicht Unter den Linden;

wenn wir nachher zu Hause sind,

wird sich schon alles finden.

(Heiterkeit.) Die Fortschrittler wollten sich die reaktionäre Kundschaft nicht verderben. Es war nicht das letzte Opfer, das uns das Geschäft gekostet hat. Die Fortschrittler haben sich verpflichtet, uns in 31 Wahlkreisen, wo wir mit Kandidaten des Schwarz-Blauen Blocks im Kampfe standen, zu unterstützen. Dafür haben wir uns verpflichtet, sie in sämtlichen Wahlkreisen zum Siege zu führen, wo sie mit reaktionären Kandidaten in der Stichwahl standen. Glauben Sie nun etwa, daß sich die Fortschrittler bei diesem Abkommen verpflichtet haben, die Parole an die Wähler herauszugeben: Stimmt für die Sozialdemokratie und gegen den Reaktionär? Beileibe nicht. Sie haben sich gesagt, wir können euch da nicht öffentlich unterstützen, das könnt ihr nicht verlangen. Sie begnügten sich mit der Parole, die schwarz-blaue Mehrheit darf nicht wieder in den Reichstag hinein. Man braucht sich nur an die Vorgänge der letzten Jahre

Nächste Seite »