Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 69

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bewiesen, und bei ihren Friedenstiraden wider die Junker gebührte ihr von sozialdemokratischer Seite eine Beifallskundgebung höchstens aufs holde Antlitz. Und wenn der billige „Triumph“ des Herrn Bethmann Hollweg im Reichstag ein Beweis mehr ist, daß die imperialistische Politik unteren anderen reaktionären Folgen auch die Stärkung des persönlichen Regiments zeitigt, so darf die Sozialdemokratie jedenfalls keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß sie mit den Friedensgarantien der monarchischen Reaktion genausowenig zu tun hat wie mit den Kriegshetzereien der junkerlichen Reaktion. Am wenigsten kann sie Hoffnungen einer fortschrittlichen Entwicklung an die Bekehrung und Einsicht des persönlichen Regiments und seiner Diener knüpfen.

Die spezielle deutsche Misere hat es mit sich gebracht, daß ein Kapitel welthistorischer Götterdämmerung der bestehenden Gesellschaftsordnung, als welche der gegenwärtige Abschnitt der imperialistischen Entwicklung betrachtet werden muß, zunächst zur trivialen Posse eines Geplänkels zwischen dem persönlichen Regiment und seinen natürlichen Alliierten, den agrarischen Krippenreitern vor den Kulissen, zwischen Reichskanzler und Kronprinz, Sohn und Vater hinter den Kulissen geworden ist. Dieselbe Misere hat das Grotesk-Lächerliche mit sich gebracht, daß sich das gespannte Interesse der deutschen Öffentlichkeit auf dieses Geplänkel mit allem Ernst konzentriert hat, daß sich ernste Blätter darüber echauffieren zu müssen glaubten, daß der jugendliche Thronerbe und Erfinder der patentierten Manschettenknöpfe in einer Zuhörerloge an Reden im Reichstag Beifall oder Mißfallen kundzugeben beliebte. Der Sozialdemokratie liegt es ob, diesem possenhaften Schattenspiel der deutschen Kinderstube gegenüber die großen geschichtlichen Zusammenhänge der imperialistischen Entwicklung, die objektiven Konsequenzen des deutsch-französischen Abkommens in ihrem Lichte aufzuzeigen, die Frage des Friedens wie des Krieges auf jenes Niveau der historischen Betrachtung zu heben, von dem aus der dürre Reichskanzler mit „seiner“ Politik, das persönliche Regiment mit Vater und Sohn und die bürgerlichen Beutepolitiker verschiedener Couleur als das erscheinen, was sie sind: blinde und kleine Würfel in der Hand einer großen Zeit. Wir hätten gewünscht, daß unsre Fraktion für die Hervorhebung dieser großen Gesichtspunkte einen Teil der Energie erübrigt hätte, die sie darauf verwendet hat, die Sozialdemokratie von dem schrecklichen Verdacht zu reinigen, als ob sie zur Verhinderung eines verbrecherischen Kolonialkrieges die Waffe der „verschränkten Arme“ der arbeitenden Volksmassen je gebrauchen wollte.

Leipziger Volkszeitung, Nr. 263 vom 13. November 1911.

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