Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 65

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Wir sind die einzige Klasse, die ernsthaft für den Frieden kämpft. Wir hätten von einem Kriege als politische Partei am wenigsten zu befürchten. Er würde nur zeigen, daß die heutige kapitalistische Wirtschaftsordnung so nicht weitergetrieben werden kann. Wenn wir trotzdem für den Frieden kämpfen, kämpfen wir damit gegen die kapitalistische Klasse und für das soziale Endziel.

Es kommt ja bald die Zeit, wo das deutsche Volk seiner Meinung Ausdruck geben kann: die Reichstagswahlen[1]. Wir lassen uns durch die Parole „Gegen den Schwarz-Blauen Block![2]“ von der bürgerlichen Linken nicht aufs Eis locken. Die Wahlen müssen sich zu einer Generalschlacht gestalten zwischen dem revolutionären Sozialismus und dem reaktionären Kapitalismus, mag dieser stehen, wo er will. (Zustimmung.) Das Wort Lassalles von der einen reaktionären Masse hat seine Geltung nicht verloren. Es wird eine Wahlschlacht sein wie noch nie. Es gilt die Rechnung zu präsentieren für Marokko, für die Finanzreform, für den Umfall des Liberalismus gegenüber den reaktionären Mächten. Mit dem Blick auf das sozialistische Endziel muß der Kampf geführt werden. Nicht nur um Mandate – die uns natürlich lieb sind – ziehen wir ins Feld, die Hauptsache sind uns die Stimmen; und zwar auf die Gesinnung der Wähler in erster Linie legen wir Wert; keine Mitläufer, sondern bewußte Klassenkämpfer müssen es sein, die uns auch in schweren Zeiten treu bleiben. (Zustimmung.) Wir gehen schweren Zeiten entgegen, darüber dürfen wir uns nicht täuschen. Aber wir fürchten uns nicht. Mit zielklarem Programm stehen wir bereit. Angesichts der heutigen Situation, die auf der einen Seite eine geringe Schicht von Ausbeutern, auf der anderen die große Masse des ausgebeuteten und darbenden Volkes zeigt, schließe ich mit den Worten Bebels auf dem Dresdner Parteitag: Ich bin und bleibe ein Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft![3] (Stürmischer, lang anhaltender Beifall.)

Schwäbische Tagwacht (Stuttgart),

Nr. 235 vom 9. Oktober 1911.

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[1] Siehe S. 6, Fußnote 3.

[2] Der Schwarz-Blaue Block oder Schnapsblock war eine Gruppierung im Reichstag, die sich im Sommer 1909 aus Vertretern der Deutschkonservativen Partei des ostelbischen Junkertums und der klerikalen Zentrumspartei gebildet hatte.

[3] „Ich will der Todfeind dieser bürgerlichen Gesellschaft und dieser Staatsordnung bleiben, um sie in ihren Existenzbedingungen zu untergraben und sie, wenn ich kann, beseitigen.“ (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Dresden vom 13. bis 20. September 1903, Berlin 1903, S. 313.)