Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 51

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gedeihlichen Ende geführt. Gerade deshalb ist es notwendig, auf die Frage einzugehen; war es denn nötig, sie zu diesem ungedeihlichen Ende zu führen, oder hätte man ihr noch eine andere Wendung geben sollen? Ich bestreite überhaupt nicht nur die Tatsache, daß es irgendwie eine Indiskretion eines Parteimitgliedes ist, sich in der Öffentlichkeit kritisch mit den Handlungen des Parteivorstandes im Interesse der Partei zu befassen in Fragen, die die Lebensinteressen der Gesamtpartei berühren, sondern ich gehe weiter und sage: Der Parteivorstand hat sich einer Unterlassung seiner Pflicht schuldig gemacht, da er nicht selbst an uns herangetreten ist. Es war seine Pflicht, seine Korrespondenz zu veröffentlichen und der Kritik der Partei zu unterbreiten. Denn, ganz offen, es handelt sich doch nicht um Formalitäten, sondern um die große Frage, ob sich der Parteivorstand einer Unterlassungssünde schuldig gemacht hat oder nicht (Heiterkeit.), ob er sich verspätet hat mit dem Auftrage, große Protestaktionen gegen den Imperialismus zu veranstalten, oder nicht. Man sagt, ich hätte die Partei irregeführt, indem ich die Auffassung Molkenbuhrs als die Auffassung des Parteivorstandes ausgegeben hätte. Wenn die Auffassung Molkenbuhrs nicht die des Vorstandes war, ich nehme es nach der Erklärung an, dann frage ich, welche andere Auffassung hat Euch dazu geführt, daß Ihr nichts getan habt in der Zwischenzeit, wo etwas getan werden sollte? („Sehr richtig!“) Rückt doch mit dem holden Geheimnis heraus, die vorgelegte Korrespondenz enthält nicht ein Wort einer anderen Erklärung. (Bebel: „Mit dieser Schrift haben wir gar keine Erklärung abgegeben.“) Meine große Sünde ist also, daß ich eine vielleicht verfehlte, aber an sich denkbare Auffassung zur Erklärung herangezogen habe, aus der ich mir die Handlungen respektive Unterlassungen des Parteivorstandes begreiflich zu machen suchte. Der Parteivorstand fühlt sich verletzt und indigniert, er gibt aber nicht die geringste Erklärung ab, weshalb er nichts getan hat. Überhaupt der Natur nach schließt diese ganze Angelegenheit jeden Begriff von Indiskretion aus. (Zustimmung und Widerspruch.) Der Parteivorstand ist nichts anderes als unser Beauftragter, er handelt für uns in unserem Namen, und wenn wir ihm sagen, er hat nicht das Richtige getan, dann steht es ihm nicht zu zu sagen: Das ist unsere diskrete Angelegenheit, mischt euch nicht ein. Und war es denn so unwahrscheinlich, anzunehmen, daß der Parteivorstand hier aus falschen Rücksichten auf die Reichstagswahlen[1] sich von einer wirklichen Aktion hat zurückhalten lassen? Ist es das erstemal, daß wir eine solche Angelegenheit diskutieren? Ich bitte Sie, das Protokoll des Mainzer Partei-

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[1] Siehe S. 6, Fußnote 3.