Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 461

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trum, dem wir speziell die deutsche Schlachtflotte verdanken, daß sie alle plötzlich als Apostel des Völkerfriedens neben der Sozialdemokratie auftreten können, scheint uns eher ein Verlust denn ein Gewinn für die Sache zu sein. Nicht als ob wir die Handvoll Parlamentarier, die sich in Basel einfanden, persönlich für Kriegsfanatiker hielten. Im Gegenteil, wir trauen einem Pfarrer Naumann gewiß nicht zu, daß er ein Huhn zu schlachten imstande wäre, und glauben gern auch den Herren Belzer, Bolz und Bollert[1], daß sie aufrichtig den Frieden zwischen Deutschland und Frankreich wünschen. Nur hängen die Schicksale des Friedens und des Krieges zwischen den Völkern leider nicht von den subjektiven Wünschen und dem guten Herzen ihrer Parlamentarier, sondern von objektiven materiellen Triebkräften der kapitalistischen Entwicklung ab, und es war seit jeher der Stolz und die Stärke der sozialdemokratischen Aufklärung, daß sie in den Massen keine Illusionen über jene Triebkräfte aufkommen ließ. In dieser Ohnmacht gegen die Tendenzen der eigenen Gesellschaftsordnung liegen seit jeher die sterbliche Seite aller bürgerlichen Friedensaktion und auch die Quelle ihrer krausen Widersprüche. Wenn Léon Bourgeois, einer der eifrigsten Vorkämpfer der Friedensliga in Frankreich, zugleich für die dreijährige Dienstzeit[2] seine Lanzen bricht, wenn Bertha von Suttner den Raubzug der Petroleummagnaten in Mexiko als notwendiges „Ordnung-Erzwingen“ preist, so sind sie sich darin durchaus gleichwertig. Die Entlarvung dieser inneren Hohlheit und Zweideutigkeit der bürgerlichen Friedensschwärmerei war stets Aufgabe der Sozialdemokratie, und der Gegensatz zu jener Richtung steht sogar an der Wiege unserer Bewegung. Es war bekanntlich eine von den Differenzen zwischen Marx und Bakunin in der alten Internationale, daß letzterer die sozialistische Vertretung des Proletariats an die bürgerliche Friedensliga ankoppeln wollte, während Marx diese Bakuninsche Konfession unbarmherzig geißelte. Wenn die reinliche Scheidung angezeigt war zu einer Zeit, als die bürgerliche Friedensbewegung noch in ihren Knospen stand, so dürfte sie nicht minder notwendig sein heute, in der Ära des Imperialismus, nachdem der letzte Rest der bürgerlichen Opposition gegen die militärischen Orgien in allen Ländern geschwunden ist.

Man braucht freilich nicht gerade vom Distelstrauch Feigen pflücken zu wollen und von bürgerlichen Parlamentariern nicht einen ernsthaften Widerstand gegen den Militarismus zu erwarten. Unsere Genossen aus

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[1] Emil Belzer und Eugen Anton Bolz gehörten der Zentrumsfraktion des Reichstags, Gerhard Bollert der nationalliberalen Fraktion an.

[2] Die französische Regierung unterbreitete am 6. März 1913 eine Gesetzesvorlage zur Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit, wodurch die zahlenmäßige Stärke der Armee in Friedenszeiten um 50 Prozent erhöht wurde. Das Gesetz wurde am 7. Juli 1913 vom Parlament angenommen.