Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 390

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tiger Sklavenhändler in den Gewässern des Atlantischen Ozeans war, erzählt von einer seiner Fahrten mit der schwarzen Ware im Jahre 1772: „Für die männlichen Sklaven sind ein paar besonders lustige und pfiffige Matrosen ausgewählt, welche die Bestimmung haben, für ihren munteren Zeitvertreib zu sorgen und sie durch allerlei gebrachte Spiele zu unterhalten. Spiel, Possen und Gelärm währen fort bis um drei Uhr nachmittags, wo Anstalten zu einer zweiten Mahlzeit gemacht werden, nur daß jetzt statt der Gerstgraupen große Saubohnen gekocht, zu einem dicken Brei gedrückt und mit Salz, Pfeffer und Palmöl gewürzt sind. Unmittelbar darauf wird die Trommel zum lustigen Tanze gerührt. Alles ist dann wie elektrisiert, das Entzücken spricht aus jedem Blicke, der ganze Körper gerät in Bewegung, und Verzückungen, Sprünge und Posituren kommen zum Vorschein, daß man ein losgelassenes Tollhaus vor sich zu sehen glaubt. Die Weiber und Mädchen sind indes doch die Versessensten auf dieses Vergnügen, und um die Lust zu vermehren, springen selbst der Kapitän, die Steuerleute und die Matrosen mit den leidlichsten von ihnen zu Zeiten herum, sollte es auch nur der Eigennutz gebieten, damit die schwarze Ware desto frischer und munterer an ihrem Bestimmungsort anlange.“

Nach diesem einfachen Rezept verfahren auch die herrschenden Klassen im heutigen kapitalistischen Staate. Als in England die ersten Gesetze zur Einschränkung der Fabrikarbeit der Kinder angenommen wurden, gingen beim Parlament zahlreiche Petitionen proletarischer Eltern ein, worin diese inständigst baten, ihren Kleinen ja die Wohltat der zwölfstündigen Zuchthausarbeit in den verpesteten Fabrikräumen nicht zu rauben. Könnten doch einige freie Stunden am Tage, welche die Kinder auf der Straße verbringen würden, ihrem „Seelenheil“ gefährlich werden. Es war die Peitsche des Kapitals, die hier Eltern zu mörderischen Antreibern ihrer eigenen Kinder machte. Als in den 80er Jahren in den hungernden russischen Dörfern noch die berühmten Eintreibungen der Steuerrückstände jedes Jahr stattfanden, endete die Prozedur gewöhnlich damit, daß auf Befehl der Beamten und unter ihrer Aufsicht die schuldigen Bauern abwechselnd einander an die Bank schnallen und mit Ruten durchpeitschen mußten. Heute spielen die gelben Gewerkschaften die Rolle der jauchzenden Sklaven, die unter Peitschenknall des Kapitals einen tollen Tanz aufführen, so wie die geistig-leibeigenen russischen Bauern, die auf Befehl ihre eigenen Brüder züchtigen.

Aber damit ist auch ihre kurze Laufbahn in der Geschichte der heutigen Arbeiterbewegung im voraus umzirkelt. Der heutige Gewerkschafts-

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