Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 361

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tie, betreffend die Wiederherstellung der Einigkeit in der Arbeiterpartei Rußlands[1], unterstützte, sah ich mich jedoch gezwungen, mich gegen den obigen Satz in der Resolution und namentlich gegen die von Kautsky gegebene Begründung mit Entschiedenheit zu wenden. Ich führte ungefähr folgendes aus: Es sei durchaus falsch, sich einzubilden, als handle es sich jetzt darum, in Rußland eine ganz neue Partei aus freien Stücken zu improvisieren. Nicht um die Gründung einer neuen Partei, sondern um die Wiederherstellung der alten Partei handele es sich. Nicht also lose Elemente, die sich selbst „als Sozialdemokraten betrachten wollen“, sondern diejenigen Gruppen und Richtungen, die das Programm, das Statut, also die Beschlüsse der alten Partei für sich als bindend betrachten, müssen wieder vereinigt werden. Die sozialdemokratische Bewegung in Rußland sei keine Tabula rasa, die einige Partei habe bereits seit 1906 bis vor kurzem existiert, sie war das historische Werk der Revolution, und es wäre sowohl verkehrt wie aussichtslos, jetzt mit einem Federstrich die Geschichte der letzten 6 Jahre der russischen Bewegung annullieren zu wollen, man müsse vielmehr an die vorhergehende Entwicklung der Partei anknüpfen. Es ist gerade der Springpunkt der Streitigkeiten in Rußland, ob die Arbeiterbewegung auf der Basis der alten revolutionären Partei aufgebaut oder ob mit der Vergangenheit gebrochen und eine ganz neue Basis geschaffen werden solle. Sollte sich das Büro auf dieses letztere Projekt einlassen, so unterliege es keinem Zweifel, daß es auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen und mit der Ausführung seiner Aufgabe scheitern würde.

Wenn mich ferner der Bericht sagen läßt, „man müsse sich auf den legalen Boden stellen“ – eine Äußerung, die in russischen Verhältnissen durchaus mißverstanden werden könnte –, so habe ich nicht etwa von der Tätigkeit auf dem „legalen Boden“ der sogenannten russischen Verfassung – in legalen Arbeitervereinen u. dgl. – gesprochen, sondern ich verlangte, daß das Büro bei der Einigungsaktion an die Parteilegalität anknüpfen soll, d. h., daß die Basis und die Beschlüsse der alten Partei als maßgebend respektiert werden sollen. – Es ist gleichfalls ein Irrtum, wenn der Bericht sagt, die Änderung im Text der Resolution sei auf Antrag Lapinskis vorgenommen worden. Tatsächlich wurden die Worte, daß man sich mit allen verständigen wolle, „die sich als Sozialdemokraten betrachten“, durch die Worte: „sämtliche Fraktionen, die das Programm der Sozialdemokratie Rußlands anerkennen“, von Kautsky selbst ersetzt, was er als eine Konzession an die von mir geäußerten Gesichtspunkte

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[1] Siehe Rosa Luxemburg: Zur Spaltung in der sozialdemokratischen Dumafraktion. In: GW, Bd. 3, S. 356 f.