Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 301

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Würde man Kautsky bitten, doch gefälligst Namen und Tatsachen zu nennen, nähere Angaben zu machen, von wem, wo und was für „Abenteuer“ und „Handstreiche“ in der Partei geplant werden, dann würde er wohl in nicht geringe Verlegenheit geraten. Wenn es genügt, die Notwendigkeit einer entschlossenen offensiven Politik, einer taktischen Initiative, einer energischen Wiederaufnahme des preußischen Wahlrechtskampfes zu betonen und im Zusammenhang damit das Problem des Massenstreiks zu erörtern, wenn dies genügt, um als Handstreichler, Abenteurer, Syndikalist und „Russe“ zu gelten, dann ist diese Kategorie von Bösewichtern allerdings erschreckend zahlreich in der Partei vertreten. Dann bestehen die Organisationen in Stuttgart, Essen, Solingen, im ganzen niederrheinischen Bezirk, in Berlin. im Herzogtum Gotha, in Sachsen, die Redaktionen der „Gleichheit“, der Braunschweiger, Elberfelder, Erfurter, Nordhäuser, Bochumer, Dortmunder Parteiblätter und vieler anderer aus lauter Abenteurern und Syndikalisten, dann wimmelt es in der deutschen Sozialdemokratie von „Russen“.

Aber Kautsky führt freilich mit Ingrimm sein Gefecht gegen eine ganz besondere Sorte von „Massenaktionären“. Diese Leute sündigen – nach seiner Darstellung – dadurch, daß sie leibhaftig „die russischen Methoden“ des Massenstreiks nach Deutschland verpflanzen wollen.

Glaubt man Kautsky, dann denken diese Leute Tag und Nacht an nichts anderes als an den Massenstreik, erblicken in ihm ein Allheilmittel und brennen vor Ungeduld, ihn in Deutschland zu entfesseln.

Kautsky berichtet von den „Massenaktionären“ erstens, daß sie „frischweg erklären, wie immer die ökonomischen und politischen Bedingungen sein mögen, die Massen seien stets bereit, auf die Straße zu gehen, stets bereit, zu streiken“, und wo das ausnahmsweise nicht der Fall, „sei die Schuld bei einzelnen Personen“ zu suchen[1].

Zweitens erzählt uns Kautsky von denselben „Massenaktionären“, daß sie „die spontane Erregung“ der deutschen Massen „möglichst bald verlangen und, da sie nicht kommen will, fordern sie kategorisch von der Partei, sie soll diese Spontaneität durch eine ‚kühne Initiative‘ künstlich schaffen, und zwar sofort“[2].

Drittens sehen diese Leute „in jeder starken Organisation ein hemmendes Moment der Aktion“, also sei die Konsequenz: „Zum Teufel mit der Organisation, wenn sie uns nur hemmt.“[3]

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[1] Ebenda, S. 530.

[2] Ebenda, S. 560.

[3] Ebenda, S. 538.