Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 252

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kampfes, sein jüngstes Produkt. Der Klassenkampf ist so alt wie die Klassengesellschaft, und es waren stets und überall die arbeitenden Massen, die handelten, wenn die Zeit reif war, die Schlachten lieferten, die den Kampf entschieden. Da ging auch noch alles ohne Wahlvereine und ohne Parteipresse. Wie waren Bauernkriege möglich? Wie kamen die großzügigen Aktionen der Masse in der englischen Revolution des 17. Jahrhunderts zustande, wie die Chartistenbewegung, wie die wunderbare Kampagne des Pariser Proletariats im Jahre 1848 und 1871, wo die sozialistische Organisation nur winzige Geheimzirkel umfaßte? Und in diesen Fällen handelte es sich nicht mehr um chaotische Ausbrüche verzweifelter Haufen, wie man – völlig zu Unrecht – die Bauernkriege auffassen mag, sondern um großartige Aktionen mit politischem Gedanken, Ausdauer, Zähigkeit, Opfermut, mit Disziplin und Zucht, Ernst und Würde. Und wenn auch in der Revolution von 1848, wenn in der Pariser Kommune Fehler und Dummheiten gemacht wurden – werden denn von unsern Führern nicht häufig genug Dummheiten gemacht? Das Aufkommen der Sozialdemokratie bietet sowenig Garantie vor politischen und historischen Fehlern, wie es den Erfolg und Sieg der Arbeitersache in jeder einzelnen Kampfphase verbürgt. Wir müssen eben genauso jeden Tag von neuem aus der Geschichte lernen, wie alle aufstrebenden und kämpfenden Schichten es seit jeher mußten.

Die Sozialdemokratie hat allerdings dank der theoretischen Einsicht in die sozialen Bedingungen ihres Kampfes in einem nie gekannten Maße Bewußtsein in den proletarischen Klassenkampf hineingetragen, ihm Zielklarheit und Tragkraft verliehen. Sie hat zum erstenmal eine dauernde Massenorganisation der Arbeiter geschaffen und dadurch dem Klassenkampfe ein festes Rückgrat gegeben. Es wäre aber ein verhängnisvoller Irrtum, sich nun einzubilden, daß seitdem auch alle geschichtliche Aktionsfähigkeit des Volkes auf die sozialdemokratische Organisation allein übergegangen, daß die unorganisierte Masse des Proletariats zum formlosen Brei, zum toten Ballast der Geschichte geworden ist. Ganz umgekehrt. Der lebendige Stoff der Weltgeschichte bleibt trotz einer Sozialdemokratie immer noch die Volksmasse, und nur wenn ein lebhafter Blutkreislauf zwischen dem Organisationskern und der Volksmasse besteht, wenn derselbe Pulsschlag beide belebt, dann kann auch die Sozialdemokratie zu großen historischen Aktionen sich tauglich erweisen.

Mit dem Hirngespinst, das gesamte arbeitende Volk erst in die Parteikader einzustellen, ehe man Geschichte macht, drehen wir uns übrigens im fehlerhaften Zirkel. Je mehr unsre Organisationen wachsen, Hundert-

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