Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 25

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politische Vorstoß, letzten Endes nur ein Schritt zur Beschleunigung des kapitalistischen Zusammenbruchs sein.

Das klassenbewußte Proletariat ist nicht berufen, in diesem Prozeß der Schlußentwicklung der bürgerlichen Gesellschaftsordnung bloß den passiven Beobachter zu spielen. Das bewußte Erfassen des inneren Sinnes der Weltpolitik und ihrer Konsequenzen ist bei der Arbeiterklasse nicht abstraktes Philosophieren, sondern die geistige Grundlage einer tatkräftigen Politik. Und die moralische Entrüstung der Massen ist zwar an sich keine Waffe gegen die verbrecherische Wirtschaft des Kapitalismus, sie ist aber, wie Friedrich Engels sagt, ein wichtiges Symptom, daß die herrschende Gesellschaft mit den Rechtsempfindungen und den Interessen der Volksmassen bereits in Widerspruch geraten ist. Diesen Widerspruch so deutlich wie möglich zum Ausdruck zu bringen ist jetzt Pflicht und Aufgabe der Sozialdemokratie. Nicht bloß die organisierte Vorhut des Proletariats, sondern die breitesten Schichten des arbeitenden Volkes müssen zu einem Proteststurm gegen den neuen Vorstoß der kapitalistischen Weltpolitik aufgepeitscht werden. Das einzige wirksame Mittel, um die Verbrechen des Krieges und der Kolonialpolitik zu bekämpfen, ist die geistige Reife und der entschlossene Wille der Arbeiterklasse, einen durch ruchlose Kapitalsinteressen angezettelten Weltkrieg in eine Rebellion der Ausgebeuteten und Beherrschten zur Verwirklichung des Weltfriedens und der sozialistischen Völkerverbrüderung zu verwandeln.

Die Gleichheit (Stuttgart),

21. Jg. 1911, Nr. 23, S. 353/354.

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