Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 204

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Streiks von 1891 und 1893 bestätigt dies vollkommen. Genauso genügte im Jahre 1905 die spontane Bewegung des österreichischen Proletariats unter dem ansteckenden Beispiel der russischen Revolutionskämpfer, um die Machthaber zum Zurückweichen zu zwingen, bevor noch eine gewaltsame Auseinandersetzung mit ihnen nötig wurde. Dasselbe beweisen zahlreiche andre Fälle aus der Praxis des internationalen Proletariats in den letzten fünfzehn Jahren: Nicht die Anwendung der physischen Gewalt, wohl aber die revolutionäre Entschlossenheit der Massen, in ihrer Streikaktion nötigenfalls vor den äußersten Konsequenzen der Kampfsituation nicht zurückzuschrecken und alle Opfer zu bringen, verleiht dieser Aktion an sich eine so unwiderstehliche Gewalt, daß sie häufig den Kampf in kurzer Frist zu namhaften Siegen zu führen vermag.

Dem Aprilstreik in Belgien lag gerade umgekehrt der Gedanke zugrunde, jede revolutionäre Situation zu vermeiden, jede Unberechenbarkeit, jede unvorhergesehene Wendung des Kampfes auszuschalten, mit einem Wort, jedes Risiko und jede Gefahr von vornherein auszuschließen und den ganzen Feldzug fast ein Jahr vorher in allen Einzelheiten festzulegen. Aber gerade damit haben die belgischen Genossen ihrem Generalstreik die eigentliche Stoßkraft genommen. Die revolutionäre Energie der Massen läßt sich nicht auf Flaschen ziehen, und ein großer Volkskampf läßt sich nicht wie eine Militärparade führen. Hier heißt es: entweder – oder. Entweder führt man einen politischen Sturm der Massen herbei, richtiger – da ein solcher sich nicht künstlich herbeiführen läßt – entweder läßt man die erregten Massen im Sturm ausziehen, dann muß alles getan werden, was diesen Sturm unwiderstehlicher, gewaltiger, konzentrierter macht, dann darf man den Sturm nicht, just wenn er losbricht, auf neun Monate vertagen, um ihm inzwischen eine Marschroute vorzubereiten. Oder man will keinen Massensturm – dann ist ein Massenstreik aber im voraus ein verlorenes Spiel. Sollten im April, wie die Führer auf dem Parteitag versicherten, nur die Disziplin und der einige Wille der Arbeiterklasse demonstriert werden, dann war für eine Demonstration die zehntägige Dauer jedenfalls überflüssig und die neunmonatige Vorbereitung ein viel zu hoher Preis. Die belgischen Proletarier waren zu einer solchen Demonstration schon viel früher und mehrmals bereit. Sollte es aber ein Kampfstreik sein, dann war die Art und Weise seiner Ausführung wenig geeignet, ihn siegreich zu machen.

Es ist vor allem klar und durch die Geschichte der bisherigen Massenstreiks in verschiedenen Ländern bestätigt, daß, je rascher, je unvorbereiteter ein politischer Streik den herrschenden Klassen über den Kopf

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