Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 181

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einer furchtbaren Niederlage des Proletariats. In der unvergeßlichen Junischlächterei wurde die Idee einer jederzeit realisierbaren „sozialen Republik“ im Blute des Pariser Proletariats ertränkt, um einem ungeahnten Aufschwung der Kapitalsherrschaft unter dem zweiten Kaiserreich Platz zu machen. Auf den zerschmetterten Barrikaden des Juni 1848, unter den Leichenhügeln der hingemordeten Pariser Proletarier schien das Ideal der sozialistischen Gesellschaftsordnung endgültig erdrückt und niedergestampft, die Aussichtslosigkeit des Sozialismus vor aller Welt erwiesen zu sein.

Allein um dieselbe Zeit, wo der Sozialismus alter Schulen eine endgültige Niederlage erlitten hatte, wurde die sozialistische Idee von Marx und Engels bereits auf eine ganz neue Basis gestellt: Das Kommunistische Manifest brachte der Welt der Ausgebeuteten eine neue Kunde. Marx und Engels suchten Stützpunkte für das sozialistische Ideal weder in der moralischen Verwerflichkeit der heutigen Gesellschaft noch im Ausklügeln eines möglichst verlockenden Zukunftsprojekts. Sie wendeten sich an die Untersuchung der wirtschaftlichen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft. Hier entdeckten sie den Punkt, an dem der Hebel der sozialistischen Umwälzung angesetzt werden kann. In den Gesetzen der kapitalistischen Wirtschaft deckte Marx die wirkliche Quelle der Ausbeutung und Unterdrückung des Proletariats auf, denen es nimmermehr entrinnen kann, solange kapitalistisches Privateigentum und Lohnsystem bestehen werden. Hier deckte er aber auch die Entwicklungsgesetze der kapitalistischen Produktion auf, die durch ihre eigne eherne Logik dazu führen, bei einem gewissen Reifegrad den Untergang der Kapitalsherrschaft und die Verwirklichung des Sozialismus unvermeidlich zu machen, wenn anders die ganze Kulturgesellschaft nicht ihrer Vernichtung entgegengehen soll. Damit wurde das sozialistische Ideal zum erstenmal auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt und als geschichtliche Notwendigkeit aufgezeigt. Zugleich wiesen Marx und Engels als ein Ergebnis derselben ökonomischen Untersuchung nach, daß das moderne Lohnproletariat aller Länder, die internationale Arbeiterklasse, geschichtlich dazu berufen ist, diese große soziale Umwälzung als ihre eigne revolutionäre Tat durchzuführen, wenn die ökonomische Entwicklung des Kapitalismus die erforderliche Reife erreicht haben wird.

Doch mit diesen epochemachenden Gedanken, die er im „Manifest“, im „Kapital“, in den zahlreichen andern Schriften niedergelegt hat, ist das Werk Marxens wie seines Freundes und Mitkämpfers nicht erschöpft. In der materialistischen Geschichtsauffassung und ihrem fruchtbarsten Stück,

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