Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 162

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weiter, nicht etwa deshalb, weil man vergessen hätte, sie wegzuräumen, nicht aus bloßer Beharrlichkeit und Trägheit der Zustände. Nein, sie sind noch da, weil beide – Monarchie wie Rechtlosigkeit der Frau – zu mächtigen Werkzeugen volksfeindlicher Interessen geworden sind. Hinter dem Thron und Altar wie hinter der politischen Versklavung des weiblichen Geschlechts verschanzen sich heute die schlimmsten und brutalsten Vertreter der Ausbeutung und der Knechtschaft des Proletariats. Monarchie und Rechtlosigkeit der Frau sind zu den wichtigsten Werkzeugen der kapitalistischen Klassenherrschaft geworden.

Für den heutigen Staat handelt es sich in Wirklichkeit darum, den arbeitenden Frauen und ihnen allein das Wahlrecht vorzuenthalten. Von ihnen befürchtet er mit Recht die Gefährdung aller althergebrachten Einrichtungen der Klassenherrschaft, so des Militarismus, dessen Todfeindin jede denkende Proletarierin sein muß; der Monarchie; des Raubsystems der Zölle und Steuern auf Lebensmittel usw. Das Frauenwahlrecht ist für den heutigen kapitalistischen Staat ein Greuel und Schrecken, weil hinter ihm die Millionen Frauen stehen, die den inneren Feind, die revolutionäre Sozialdemokratie, stärken würden. Käme es auf die Damen der Bourgeoisie an, so hätte der kapitalistische Staat von ihnen nur eine wirksame Unterstützung der Reaktion zu erwarten. Die meisten bürgerlichen Frauen, die sich im Kampfe gegen „die Vorrechte der Männer“ wie Löwinnen gebärden, würden im Besitz des Wahlrechts wie fromme Lämmlein mit dem Troß der konservativen und klerikalen Reaktion gehen. Ja, sie wären sicher noch um ein Beträchtliches reaktionärer als der männliche Teil ihrer Klasse. Von der kleinen Zahl Berufstätiger unter ihnen abgesehen, nehmen die Frauen der Bourgeoisie an der gesellschaftlichen Produktion keinen Anteil, sie sind bloße Mitverzehrerinnen des Mehrwerts, den ihre Männer aus dem Proletariat herauspressen, sie sind Parasiten der Parasiten am Volkskörper. Und Mitverzehrer sind gewöhnlich noch rabiater und grausamer in der Verteidigung ihres „Rechts“ auf Parasitendasein als die unmittelbaren Träger der Klassenherrschaft und der Ausbeutung. Die Geschichte aller großen Revolutionskämpfe hat dies grauenvoll bestätigt. Als nach dem Fall der Jakobinerherrschaft in der Großen Französischen Revolution der gefesselte Robespierre auf dem Wagen zum Richtplatz gefahren wurde, da führten die nackten Lustweiber der siegestrunkenen Bourgeoisie auf den Straßen einen schamlosen Freudentanz um den gefallenen Revolutionshelden auf. Und als im Jahre 1871 in Paris die heldenmütige Arbeiterkommune mit Mitrailleusen besiegt wurde, da übertrafen die rasenden Weiber der Bourgeoisie in ihrer bluti-

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