Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 147

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und sich riesenhafter ihnen gegenüber wieder aufrichte, schrecken stets von neuem zurück vor der unbestimmten Ungeheuerlichkeit ihrer eignen Zwecke, bis die Situation geschaffen ist, die jede Umkehr unmöglich macht, und die Verhältnisse selbst rufen:

Hic Rhodus, hic salta!

Hier ist die Rose, hier tanze!“[1]

Der 18. März ruft zwei historische Ereignisse in Erinnerung, die für die internationale Arbeiterklasse wie zwei lodernde Fackeln die Strecke des letzten halben Jahrhunderts beleuchten: die Revolution von 1848 und die Pariser Kommune von 1871. Die deutsche Revolution, die mit dem 18. März ihre siegreiche Schlacht auf den Straßen Berlins geschlagen hatte, ist eine einzige große Lehre vom Bankrott des bürgerlichen Liberalismus. Am 18. März hatte die Arbeiterschaft mit Heldenmut auf den Barrikaden die alte feudale Monarchie geschlagen, hatte sie die Bahn gebrochen für eine fortschrittliche demokratische Entwicklung Deutschlands, für die deutsche Einheit, für die deutsche Republik, für das allgemeine, gleiche Wahlrecht in Preußen. Was ist von alledem zur Wirklichkeit geworden? Nichts! Die Bajonette Wrangels, die Rückkehr der geschlagenen Junkerherrschaft, die Konterrevolution und die bleierne Kirchhofsruhe der fünfziger Jahre in Deutschland und dann in den siebziger Jahren die Karikatur der deutschen Einheit in Gestalt der neuen deutschen Reichsherrlichkeit mit einer Karikatur der Volksvertretung in Gestalt des heutigen Reichstags – als Geschenk aus den blutigen Händen Bismarcks, geboren unter dem Fluche des modernen Militarismus –, das waren die Ergebnisse niederträchtigen Verrats der liberalen Bourgeoisie, die schon am Tage nach dem Siege der Berliner Arbeiter hinter deren Rücken ein Techtelmechtel mit der Reaktion begann. Schon damals war den Vätern der heutigen Fortschrittler und Nationalliberalen das schimpfliche Joch des Junkerregimentes auf eigenem Nacken lieber als der Anblick des steifnackigen revolutionären Ungestüms der Proletariermassen; schon damals hatten sie ihren historischen Beruf darin gefunden, sich von Proletarierhänden Kastanien aus dem Feuer der Reaktion holen zu lassen und im gleichen Augenblick die Helfer in der Not an dieselbe Reaktion für einen Judaslohn zu verkaufen. Und doch waren damals die liberalen Bourgeois in Deutschland die Herren der Situation, die berufenen Führer der Volksmasse, denn noch war der Riese Proletariat ein

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[1] Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 8, Berlin 1969, S. 118.