Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 138

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ten Tatsache absehen, daß sich die Fortschrittler gegen die Gefährdung ihrer Mandate von reaktionärer Seite durch einfache Mittelchen, wie die Geheimhaltung des Abkommens mit uns, die verschleierte Parole und die gesunden reaktionären Instinkte ihrer eignen Wählermassen, hinlänglich gesichert fühlten; daß ferner das Abkommen ihrem „Mandatshunger“ ein Erkleckliches mehr bot als unsre Jenaer Stichwahlparole[1], nämlich die freiwillige Preisgabe unserseits von 16 Wahlkreisen. Doch gegen gewollte Weltfremdheit gibt es keine Mittel, und wir bleiben bei dem „erstaunlichen“ Angebot der Fortschrittler.[2]

Es geschah also nach dem 12. Januar eine „erstaunliche“ Tatsache. Eines schönen Morgens erschien, sagen wir, Herr Fischbeck auf dem Parteibüro in der Lindenstraße und sagte: Meine Herren, wollen wir nicht ein Geschäft machen? Wir werden Sie „vertraulich“ unterstützen gegen die Konservativen. Sie aber unterstützen uns öffentlich gegen die Konservativen und räumen uns außerdem noch freiwillig 16 Ihrer eignen Stichwahlkreise. Und da Herr Fischbeck mit einem solchen Angebot erschien, so „erstaunte“ der Parteivorstand, blickte seinen ebenfalls erstaunten Verteidiger an, und beide begriffen sofort: Aha! da kommt „der neue Liberalismus“. Und weil, sagen wir, Herr Fischbeck kam, so verlor plötzlich „der Gang der ökonomischen Entwicklung“, der noch bis zum 12. Januar Geltung hatte, jede Bedeutung, und „die bisherigen Erfahrungen bei den Stichwahlen“ wurden null und nichtig. Das geheime Angebot eines geheimen Mandatsgeschäfts durch irgendeinen Fischbeck im stillen Kämmerlein eröffnete plötzlich neue Perspektiven für die politische Entwicklung Deutschlands, die „entschiedene linke Mehrheit“, unsre Herrschaft in dieser Mehrheit, die Zertrümmerung „jedes Junkerregiments“ und ähnliche schöne Gegenden. Man muß wiederum gestehen, daß die Großblockphantasien der Genossen Frank und Kolb, die bekanntlich vor zwei Jahren auf der Rede des Ministers Bodman in der badischen Kammer und dessen öffentlichen Elogen auf die Sozialdemokratie fußten, denn doch eine Art solide Basis hatten im Vergleich mit dem „erstaunlichen“ Fundament der Taktik unsres Parteivorstands.

Man sieht, diese Taktik gleicht einer Pyramide, aber einer Pyramide, die auf dem Kopf steht: Sie stützt sich mit ihrer Spitze auf einen winzigen

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[1] Siehe S. 102, Fußnote 2.

[2] Da der Verteidiger des Parteivorstands den Nachdruck gerade auf den Umstand legt, daß die Fortschrittler den ersten Schritt zu uns getan haben, so darf es nebenbei einigermaßen befremden, daß der „Vorwärts“ auf die zweimalige dreiste Erklärung des „Berliner Tageblatts“, worin jene Behauptung im „Vorwärts“ Lügen gestraft und der Welt angedeutet wird, daß umgekehrt unser Parteivorstand den Fortschrittlern nachgelaufen wäre, nicht mit einem Sterbenswort geantwortet hat. [Fußnote im Original]