Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 135

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abkommen selbst. Sehen wir zu, wie der offizielle Verteidiger des Vorstands dessen allgemeine Erwägungen schildert:

„Welche Möglichkeiten bot uns das Abkommen? Es winkte uns die Aussicht, den Schwarz-Blauen Block[1] in die Minderheit zu drängen, eine entschieden liberale Mehrheit auch ohne den rechten Flügel der Nationalliberalen zu schaffen und eine Regierung gegen die Linke unmöglich zu machen. Innerhalb dieser Linken mußte aber unser Einfluß dominieren. Wir mußten die weitaus stärkste Partei werden, konnten 120 und mehr Mandate gewinnen, und der Liberalismus war ohne uns ohnmächtig, die Fortschrittler durch ihr Stichwahlabkommen mit dem Schwarz-Blauen Block aufs tiefste verfeindet, so daß ihnen nichts übrigblieb, als im Reichstag mit uns einen energischen Kampf gegen die Rechte und jedes junkerliche Regime zu führen. Jeder Versuch, zur bürgerlichen Sammelpolitik zurückzukehren, mußte ihnen mit einem Schlag ihre besten Elemente abwendig, mußte ihre Partei selbst unmöglich machen.

Das war die Situation, deren Möglichkeit erstand, wenn es zu einem Stichwahlabkommen zwischen uns und den Fortschrittlern kam.“[2]

Hier haben wir den Schlüssel zum Verständnis der Taktik des Parteivorstands, auf diese allgemeine Auffassung muß sich deshalb die größte Aufmerksamkeit der Partei konzentrieren. Demnach hat der Vorstand gleich nach der Hauptwahl folgende politische Aussichten verfolgt:

Nr. 1. Es bildet sich in Deutschland eine bürgerliche Linke, unter Ausschluß der rechtsstehenden Elemente des Nationalliberalismus, also von entschiedener liberaler Couleur.

Nr. 2. Diese bürgerliche Linke verfeindet sich aufs tiefste mit der Reaktion.

Nr. 3. Dieselbe bürgerliche radikale Linke bildet mit uns zusammen eine entschiedene Mehrheit des deutschen Reichstags.

Nr. 4. Innerhalb dieser entschiedenen linken Mehrheit des Reichstags bilden wir Sozialdemokraten unsrerseits die entschiedene, tonangebende Mehrheit und lenken so, wie Apoll, stehend den Wagen der deutschen Politik der rosenfingrigen Morgenröte entgegen, während die Kopsch und Wiemer als schnaubende Rosse den Wagen ziehen, die Bassermann aber und Schönaich-Carolath ihn als holde Musen umflattern. Dies waren, nach dem Verteidiger des Stichwahlabkommens, die Perspektiven, die der Vorstand im Geiste sich öffnen sah.

Das Bild ist von beklemmender Schönheit, und es ist schon begreiflich,

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[1] Siehe S. 65, Fußnote 2.

[2] Unser Stichwahlabkommen. In: Vorwärts, Nr. 55 vom 6. März 1912.