Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 3, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2003, S. 150

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Kämpfer ein Wegweiser war, ist seitdem zum Banner ungezählter Millionen in allen Ländern geworden.

Und heute, im März, treten wieder die Elementargeister des Klassenkampfes in seiner ganzen Größe auf die Bühne. Nicht mehr in Barrikadenkämpfen allein offenbaren sich Blitze und Donnerrollen der Weltgeschichte wie 1848 und noch 1871. Ein Streik der Bergarbeiter Deutschlands und Englands[1] ist es, der heute die Welt in seinem Banne hält. Ein einfacher Gewerkschaftskampf, aber einer von jenen, die schon durch ihren riesenhaften Umfang wie durch ihre grundlegende Bedeutung für das gesamte Wirtschaftsleben der Gesellschaft die schlichte „Messer-und-Gabel-Frage“ zu einer sozialen und politischen Katastrophe im Staate gestalten. Hier, bei den Millionen Bergsklaven, die der kapitalistische Profithunger zum unterirdischen Leben unter Qualen der Danteschen Hölle verurteilt hat, hier brodeln die vulkanischen Kräfte des Klassenkampfes in ihrer ungehemmten Grundgewalt. Jedesmal, wenn die Bergsklaven ihre Glieder recken, erzittert der Boden des kapitalistischen Staates. Und heute sind sie – Millionen an der Zahl – in den zwei höchstentwickelten kapitalistischen Staaten gleichzeitig an die Oberfläche gestiegen, um eine Abrechnung mit dem herrschenden Kapital zu halten. Es sind dieselben englischen Proletarier, die in den siebziger Jahren auf der Höhe der industriellen Weltherrschaft Englands noch den Himmel voller Geigen sahen und mit der ausbeutenden Bourgeoisie schiedlich-friedlich auszukommen hofften. Es sind dieselben deutschen Bergarbeiter des Ruhrreviers, die noch 1889 in einer Abordnung an den deutschen Kaiser den Vater Staat um gütige Hilfe anflehten.[2] Heute stehen sie – Engländer wie Deutsche – nicht als Hoffende und Bittende, nein, als trotzige, wetterharte Kämpfer da, die nur auf sich selbst, auf die Solidarität und die Macht des Proletariats bauen.

Und der erste Eindruck ihres Kampfes gibt ihnen recht. Kaum haben sich die Arbeiterbataillone in Bewegung gesetzt, so richteten sich die erstarrten Blicke der bürgerlichen Welt auf ihren Kampf als auf das wichtigste Ereignis der Zeitgeschichte. Vor den verschränkten Armen der Millionen Bergarbeiter verstummte in England das tägliche Geplätscher

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[1] Siehe S. 134, Fußnote 1.

[2] Während des Streiks der Bergarbeiter 1889, der u. a. für die Achtstundenschicht, für Lohnerhöhung und Anerkennung der im Ausstand entstandenen Streikleitungen geführt wurde, war am 14. Mai eine Abordnung streikender Ruhrbergarbeiter von Wilhelm II. empfangen worden und hatte ihn um Vermittlung bei der Unterhandlung mit den Zechenherren gebeten. Die berechtigten Forderungen der Bergleute wies Wilhelm II. als ungesetzlich zurück; jedoch trug die Verhandlung dazu bei, die Grubenherren des Ruhrreviers zu Zugeständnissen zu zwingen, die sic nach Wiederaufnahme der Arbeit allerdings nicht einhielten.