„Interessensphäre” mit allen Mitteln zu fördern. Aber die Staatspolitik ist hier der schiebende, nicht der geschobene Teil. Einerseits äußert sich in den Eroberungstendenzen des Zarentums die traditionelle Expansion des gewaltigen Reichs, dessen Bevölkerung heute 170 Millionen Menschen umfaßt und das aus wirtschaftlichen wie strategischen Gründen den Zutritt zum freien Weltmeer, zum Stillen Ozean im Osten, zum Mittelmeer im Süden, zu erlangen sucht. Andererseits spricht hier das Lebensinteresse des Absolutismus mit, die Notwendigkeit, in dem allgemeinen Wettlauf der Großstaaten auf weltpolitischem Felde eine achtunggebietende Stellung zu behaupten, um sich den finanziellen Kredit im kapitalistischen Auslande zu sichern, ohne den der Zarismus absolut nicht existenzfähig ist. Hinzu tritt endlich wie in allen Monarchien das dynastische Interesse, das bei dem immer schrofferen Gegensatz der Regierungsform zur großen Masse der Bevölkerung des äußeren Prestiges und der Ablenkung von den inneren Schwierigkeiten dauernd bedarf als des unentbehrlichen Hausmittels der Staatskunst.
Allein auch moderne bürgerliche Interessen kommen immer mehr als Faktor des Imperialismus im Zarenreich in Betracht. Der junge russische Kapitalismus, der unter dem absolutistischen Regime natürlich nicht voll zur Entfaltung gelangen und im großen und ganzen nicht aus dem Stadium des primitiven Raubsystems herauskommen kann, sieht jedoch bei den unermeßlichen natürlichen Hilfsquellen des Riesenreiches eine gewaltige Zukunft vor sich. Es unterliegt keinem Zweifel, daß, sobald der Absolutismus weggeräumt ist, Rußland sich – vorausgesetzt, daß der Internationale Stand des Klassenkampf es ihm noch diese Frist gewährt – rasch zum ersten modernen kapitalistischen Staate entwickeln wird. Es sind die Ahnung dieser Zukunft und die Akkumulationsappetite sozusagen auf Vorschuß, die die russische Bourgeoisie mit einem sehr ausgeprägten imperialistischen Drang erfüllten und bei der Weltverteilung mit Eifer ihre Ansprüche melden lassen. Dieser historische Drang findet zugleich seine Unterstützung in sehr kräftigen Gegenwartsinteressen der russischen Bourgeoisie. Dies ist erstens das greifbare Interesse der Rüstungsindustrie und ihrer Lieferanten; spielt doch auch in Rußland die stark kartellierte schwere Industrie eine große Rolle. Zweitens ist es der Gegensatz zum „inneren Feind”, zum revolutionären Proletariat, der die Wertschätzung der russischen Bourgeoisie für den Militarismus und die ablenkende Wirkung des weltpolitischen Evangeliums besonders gesteigert und das Bürgertum untel dem konterrevolutionären Regime zusammengeschlossen hat. Der Imperialismus der bürgerlichen Kreise in Rußland, namentlich der liberalen,