Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 109

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männer und Krupp in Marokko, um die Existenz und die Reaktion Österreichs, dieses „Haufens organisierter Verwesung, das sich Habsburgische Monarchie nennt”, wie der „Vorwärts” am 25. Juli 1914 schrieb, um ungarische Schweine und Zwetschgen, um den § 14, die Kindertrompete und die Kultur Friedmann-Prochaska, um die Erhaltung der türkischen Baschi-Bosuken-Herrschaft[1] in Kleinasien und der Konterrevolution auf dem Balkan.

Ein großer Teil unserer Parteipresse war sittlich entrüstet, daß von den Gegnern Deutschlands die „Farbigen und Wilden”, Neger, Sikhs, Maori, in den Krieg gehetzt wurden. Nun, diese Völker spielen im heutigen Kriege ungefähr dieselbe Rolle wie die sozialistischen Proletarier der europäischen Staaten. Und wenn die Maori von Neuseeland nach Reuter-Meldungen darauf brannten, sich für den englischen König die Schädel einzurennen, so zeigten sie just so viel Bewußtsein für die eigenen Interessen wie die deutsche sozialdemokratische Fraktion, welche die Erhaltung der Habsburgischen Monarchie, der Türkei und der Kassen der Deutschen Bank mit der Existenz, Freiheit und Kultur des deutschen Volkes verwechselte. Ein großer Unterschied besteht freilich bei alledem: Die Maori trieben noch vor einer Generation Menschenfresserei und nicht marxistische Theorie.

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Aber der Zarismus! Dieser war es zweifellos, der für die Haltung der Partei, namentlich im ersten Augenblick des Krieges, den Ausschlag gegeben hat. Die sozialdemokratische Fraktion hatte in ihrer Erklärung die Parole gegeben: Gegen den Zarismus! Die sozialdemokratische Presse hat daraus alsbald den Kampf um „die Kultur” für ganz Europa gemacht.

Die Frankfurter „Volksstimme” schrieb schon am 31. Juli:

„Die deutsche Sozialdemokratie hat seit langem das Zarentum bezichtigt als den blutigen Hort der europäischen Reaktion, seit der Zeit, da Marx und Engels mit geschärften Blicken jede Bewegung dieses barbarischen Regiments verfolgten, bis heute, wo es die Gefängnisse mit politischen Verbrechern füllt und doch vor jeder Arbeiterbewegung zittert. Nun käme die Gelegenheit, unter den deutschen Kriegsfahnen mit dieser fürchterlichen Gesellschaft abzurechnen.”

Die „Pfälzische Post” in Ludwigshafen am gleichen Tage:

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[1] Die Baschi-Bosuks waren gut bewaffnete, irreguläre Truppen, die wegen ihrer Greueltaten und Plündereien berüchtigt waren. Sie traten erstmals im russisch-türkischen Krieg 1853 auf.