Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 63

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Zahl. Jene waren aber auf dem Felde der Ehre gefallen, sie sind, wie Marx über die Kommunehelden schrieb, auf ewige Zeiten „eingeschreint in dem großen Herzen der Arbeiterklasse”[1]. Jetzt fallen Millionen Proletarier aller Zungen auf dem Felde der Schmach, des Brudermordes, der Selbstzerfleischung mit dem Sklavengesang auf den Lippen. Auch das sollte uns nicht erspart bleiben. Wir gleichen wahrhaft den Juden, die Moses durch die Wüste führt. Aber wir sind nicht verloren, und wir werden siegen, wenn wir zu lernen nicht verlernt haben. Und sollte die heutige Führerin des Proletariats, die Sozialdemokratie, nicht zu lernen verstehen, dann wird sie untergehen, „um den Menschen Platz zu machen, die einer neuen Welt gewachsen sind”[2].

II

„Jetzt stehen wir vor der ehernen Tatsache des Krieges. Uns drohen die Schrecknisse feindlicher Invasionen. Nicht für oder gegen den Krieg haben wir heute zu entscheiden, sondern über die Frage der für die Verteidigung des Landes erforderlichen Mittel … Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus, der sich mit dem Blute der Besten des eigenen Volkes befleckt hat, viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die Kultur und die Unabhängigkeit unseres eigenen Landes sicherzustellen. Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns dabei im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat, wie wir auch in Übereinstimmung mit ihr jeden Eroberungskrieg verurteilen .’ Von diesen Grundsätzen geleitet, bewilligen wir die geforderten Kriegskredite.”[3]

Mit dieser Erklärung gab die Reichstagsfraktion am 4. August die Parole, welche die Haltung der deutschen Arbeiterschaft im Kriege bestimmen und beherrschen sollte. Vaterland in Gefahr, nationale Verteidigung, Volkskrieg um Existenz, Kultur und Freiheit – das war das Stichwort, das von der parlamentarischen Vertretung der Sozialdemokratie

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[1] Karl Marx: Der Bürgerkrieg in Frankreich. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 17, S. 362.

[2] Karl Marx: Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 7, S. 79.

[3] Verhandlungen des Reichstags. XIII. Legislaturperiode, II. Session, Bd. 306. Stenographische Berichte, Berlin 1916, S. 8 f.