Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 464

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Eberts Mamelucken

[1]

Das Werk der Reichskonferenz der A.- u. S.-Räte ist würdig gekrönt. Nachdem sie dem gegenrevolutionären Hauptquartier Eberts die stärkste Unterstützung geliehen, nachdem sie sich von der Straße, von den revolutionären Massen des Proletariats abgesperrt, hat sie damit geendet, sich selbst zu entleiben, den A.- u. S.-Räten den Todesstoß zu versetzen![2]

Mit welcher Ungeniertheit, mit welchem Zynismus die Ebert-Leute die Konferenz wie einen Hampelmann in Bewegung setzten, auf die parlamentarische Ungeschultheit und Unbeholfenheit der Arbeiter- und Soldatendelegierten bauend, dafür nur zwei Beweise.

Am Mittwoch abend[3] tauchte plötzlich in ganz unauffälliger, beiläufiger Weise ein „Antrag Lüdemann” auf, der verlangte, „bis zur anderweitigen Regelung durch die Nationalversammlung” die gesamte gesetzgebende und vollziehende Gewalt der Reichsleitung – d. h. dem Ebertschen Kabinett – zu übertragen.[4] Dieser Antrag ist zwischen Tür und Angel am Mittwoch abend ohne jede Debatte angenommen worden! Und der Kongreß wurde es nicht gewahr, daß er dabei bereits die „anderweitige Regelung” der Dinge durch die Nationalversammlung vorwegnahm, ehe über die Frage der Nationalversammlung auch nur debattiert, geschweige irgendein Beschluß gefaßt worden war! Am Donnerstag steht auf der Tagesordnung die Frage, ob überhaupt die Nationalversammlung einberufen werden soll, und am Mittwoch abend läßt die Ebert-Clique den Kongreß beschließen, daß der Nationalversammlung die endgültige Re-

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[1] Dieser Artikel ist nicht gezeichnet. Clara Zetkin nennt in ihrer Arbeit „Um Rosa Luxemburgs Stellung zur russischen Revolution” (Hamburg 1922) Rosa Luxemburg als Verfasserin.

[2] Vom 16. bis 21. Dezember 1918 tagte in Berlin der 1. Allgemeine Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands, auf dem die Vertreter der SPD dominierten. Mit der Zustimmung, am 19. Januar 1919 die Wahlen zu einer Nationalversammlung durchzuführen, die die weitere Regelung übernehmen sollte, und der Wahl eines Zentralrats der Arbeiter- und Soldatenräte, dem nur das Recht zugebilligt wurde, wichtige Gesetzesvorlagen der Regierung zu beraten, entschied dieser Kongreß in der Grundfrage der Revolution, Rätemacht oder bürgerliche Nationalversammlung, zugunsten des bürgerlichen Staates.

[3] 18. Dezember 1918.

[4] Siehe Allgemeiner Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands. Vom 16. bis 21. Dezember 1918 im Abgeordnetenhause zu Berlin, Stenographische Berichte, Berlin o. J., S. 88.