eine soziale Macht in Rußland zu bilden, Generation um Generation zu erziehen und für die Besten, wie Korolenko, zur wahren Heimat zu werden.
II
Korolenko ist eine durchaus poetische Natur. Um seine Wiege brauen dichte Nebel des Aberglaubens. Nicht des korrupten Aberglaubens der modernen großstädtischen Dekadenz, wie er z. B. in Berlin im Spiritismus, Kartenlegen und Gesundbeten unausrottbar sein Wesen treibt, sondern des naiven Aberglaubens der Volkspoesie, der so rein ist und würzig duftend wie der freie Wind der ukrainischen Steppe und die Millionen wilder Schwertlilien, Schafgarben und Salvien, die dort in mannshohem Grase wuchern. In der gruseligen Atmosphäre der Gesindestube und des Kinderzimmers im Elternhause Korolenkos spürt man deutlich, daß seine Wiege in nächster Nachbarschaft von dem Zauberlande Gogols stand, mit seinen Erdgeistern, Hexen und dem heidnischen Weihnachtsspuk.
Auch in Harny Lug wird man lebhaft an die Gogolsche Welt, an die Mirgoroder Schildbürger Iwan Iwanowitsch und Iwan Nikiforowitsch erinnert, nur noch mit starkem polnischem Einschlag, da Wolynien doch auch Nachbarland Litauens ist, der Heimat des ehemaligen polnischen Krautjunkertums und dessen unsterblichem Barden Adam Mickiewicz.
Korolenko ist eben seiner Abstammung nach Pole, Ukrainer und Russe zugleich, und schon als Kind mußte er dem Ansturm der drei „Nationalismen” standhalten, von denen jeder ihm zumutete, „irgend jemanden zu hassen und zu verfolgen”. An der gesunden Menschlichkeit des Knaben scheiterten frühzeitig alle derartigen Versuchungen. Die polnischen Traditionen wehten ihn nur als letzter ersterbender Hauch einer geschichtlich überwundenen Vergangenheit an. Von dem ukrainischen Nationalismus fühlte sein gerader Sinn sich durch das Gemisch von maskeradenhaftem Geckentum und reaktionärer Romantik abgestoßen. Und die brutalen Methoden der offiziellen Russifizierungspolitik gegenüber den unterdrückten Polen wie den Unierten in der Ukraine waren eine wirksame Warnung vor dem russischen Chauvinismus für ihn, den zarten Knaben, der stets instinktiv zu den Schwachen und Bedrückten, nicht zu den Starken und Triumphierenden sich hingezogen fühlte. Aus dem Widerstreit der drei Nationalitäten, dessen Feld seine wolynische Heimat war, rettete er sich in die Humanität.
Mit 17 Jahren vaterlos und materiell ganz auf sich gestellt, geht er nach