Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 415

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An die Proletarier aller Länder

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Proletarier! Männer und Frauen der Arbeit! Genossen!

In Deutschland hat die Revolution ihren Einzug gehalten. Die Massen der Soldaten, die vier Jahre lang zur Schlachtbank getrieben wurden um kapitalistischer Profite willen, die Massen der Arbeiter, die vier Jahre lang ausgesogen, ausgepreßt, ausgehungert wurden, sie haben sich erhoben. Das furchtbare Werkzeug der Unterdrückung: der preußische Militarismus, diese Geißel der Menschheit, liegt zerbrochen am Boden; seine sichtbarsten Vertreter und damit die sichtbarsten Schuldigen an diesem Kriege, der Kaiser und der Kronprinz, sind außer Landes geflüchtet. Überall haben sich Arbeiter- und Soldatenräte gebildet.

Proletarier aller Länder, wir sagen nicht, daß in Deutschland alle Macht wirklich in die Hände des arbeitenden Volkes gelangt, daß der volle Sieg der proletarischen Revolution bereits errungen sei. Noch sitzen in der Regierung alle jene Sozialisten, die im August 1914 unser kostbarstes Gut, die Internationale, preisgegeben, die vier Jahre lang die deutsche Arbeiterklasse und die Internationale zugleich verraten haben.

Aber, Proletarier aller Länder, jetzt spricht der deutsche Proletarier selbst zu Euch. Wir glauben das Recht zu haben, in seinem Namen vor Euer Forum zu treten. Wir haben vom ersten Tage dieses Krieges uns bemüht, unsere Internationalen Pflichten zu erfüllen, indem wir jene verbrecherische Regierung mit allen Kräften bekämpften und sie als wahre Schuldige des Krieges brandmarkten.

Jetzt, in dieser Stunde, sind wir gerechtfertigt vor der Geschichte, vor der Internationale und vor dem deutschen Proletariat. Die Massen stim-

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[1] Dieser Aufruf des Spartakusbundes wurde von Rosa Luxemburg verfaßt. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung in der „Roten Fahne“ wurde er auch als Flugblatt verbreitet.