Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 187

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Gegen den Gewaltstreich des Parteivorstandes gegen den „Vorwärts“

[1]

Die Preßkommission erblickt in den Eingriffen des Parteivorstandes und des Geschäftsführers Fischer in die Redaktionsführung des „Vorwärts”[2] einen Gewaltstreich, der allen demokratischen Grundlagen der Sozialdemokratie ins Gesicht schlägt und namentlich seitens des Geschäftsführers Fischer eine unerhörte Anmaßung darstellt. Die Preßkommission erblickt in diesem Vorgehen einen Versuch des Parteivorstandes, das Zentralorgan der Partei zum Werkzeug der Politik der Fraktionsmehrheit zu machen, einer Politik, die im schroffsten Widerspruch steht zu den Parteigrundsätzen, Parteitraditionen und den Internationalen Pflichten der Sozialdemokratie und die zur tiefsten Zerrüttung der Partei wie zur Untergrabung der Parteieinheit führen muß. Insbesondere bedeutet das Vorgehen des Parteivorstandes einen skandalösen Eingriff in die Rechte der Berliner Parteigenossenschaft. Der „Vorwärts” ist nicht bloß Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie, sondern auch Organ der Berliner Genossen. Nach der ausdrücklichen Stellungnahme des Großberliner Zentralvorstandes vom 31. März bedeutet der Versuch des Parteivorstandes, die Redaktionsführung des „Vorwärts” durch gewaltsame Maßnahmen im Sinne seiner Politik zu beeinflussen, eine unqualifizierbare Herausforderung der Berliner Parteigenossenschaft. Die Preßkommission weist die Gewaltpolitik des Parteivorstandes mit Entrüstung zurück und

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[1] Redaktionelle Überschrift. – Rosa Luxemburg hatte diese Resolution auf der Sitzung der Berliner Preßkommission am 6. April 1916 vorgelegt. Die Resolution wurde gegen vier Stimmen abgelehnt. Vom Zentralvorstand des Verbandes der sozialdemokratischen Wahlvereine Berlins und Umgegend wurde sie am 14. April angenommen.

[2] Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hatte unter Mißachtung der Preßkommission und der Berliner Parteiorganisation mit Wirkung vom 1. April 1916 Hermann Müller in die Redaktion des „Vorwärts” entsandt und die Zeitung unter Vorzensur gestellt.