Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 9

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Trümmer

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Der zermalmende Zug des gegenwärtigen Weltkrieges hinterläßt allüberall auf weiten Länderstrecken und Meeren zunächst nichts hinter sich als Trümmer. Trümmer von Städten und Dörfern, Trümmer von zerschmetterten Festungen, Geschützen und Gewehren, Trümmer von riesigen Schlachtschiffen und kleinen Torpedobooten. Und dazwischen Trümmer von zerschmettertem Menschenglück. Hekatomben zerfetzter Menschenleiber, gemischt mit grauenhaftem Aas verendeter Pferde, Hunde und verhungertem, verkohltem Vieh. Kriege ziehen sich wie ein blutiger Faden durch die ganze Jahrtausende alte Geschichte der Klassengesellschaft. Solange es Privateigentum, Ausbeutung, Reichtum und Armut gibt, sind Kriege unvermeidlich, und jeder Krieg verbreitet um sich Tod und Pesthauch, Vernichtung und Elend. Der gegenwärtige Weltkrieg übertrifft jedoch alles bisherige an Dimensionen, an Wucht, an tiefgreifender Wirkung. Nie waren so viele Völker, Länder, Weltteile von den Flammen des Krieges auf einmal umfaßt, nie waren so gewaltige technische Mittel in den Dienst der Vernichtung gespannt, nie waren so reiche Schätze der materiellen Kultur dem höllischen Sturm ausgesetzt. Der moderne Kapitalismus heult in dem jetzigen Weltorkan sein satanisches Triumphlied: Nur er vermochte in wenigen Jahrzehnten die schimmernden Reichtümer und die glänzenden Kulturwerke aufzutürmen, um sie dann in wenigen Monaten mit den raffiniertesten Mitteln in ein Trümmerfeld zu verwandeln. Nur er hat es fertiggebracht, den Menschen zum Fürsten der Länder, Meere und Lüfte, zum lachenden Halbgott und Beherrscher aller Elemente zu machen, um ihn dann unter den Trümmern der eigenen Herr-

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[1] Dieser Artikel ist nicht gezeichnet. Nach Auskunft von Rudolf Lindau, einem Mitbegründer der KPD, ist Rosa Luxemburg die Verfasserin.