Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 411

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Ein gewagtes Spiel

Von der „Kreuz-Zeitung” bis zum „Vorwärts” hallt die deutsche Presse von Schmähungen gegen „Terror”, „Putschismus”, „Anarchie”, „Diktatur” wider.

Quis tulerit Gracchos de seditione querentes? Wen rührt es nicht, wenn die Kapitolwächter der bürgerlichen Anarchie, wenn diejenigen, die in vier Jahren Europa in einen Trümmerhaufen verwandelt haben, über „Anarchie” der proletarischen Diktatur schreien?

Die besitzenden Klassen, die in tausendjähriger Geschichte bei der geringsten Rebellion ihrer Sklaven vor keinem Gewaltakt und keiner Niedertracht zurückschreckten, um das Palladium der „Ordnung”: Privateigentum und Klassenherrschaft, zu schützen, sie schreien seit jeher über Gewalt und Terror – der Sklaven. Die Thiers und Cavaignac, die in der Junimetzelei des Jahres 1848 Zehntausende Pariser Proletarier, Männer, Frauen und Kinder, hingemordet hatten, sie erfüllten die Welt mit Geheul über die angeblichen „Greueltaten” der Pariser Kommune.

Die Reventlow, Friedberg, Erzberger, die ohne mit der Wimper zu zucken anderthalb Millionen deutscher Männer und Jünglinge zur Schlachtbank getrieben – um Longwy und Briey, um neuer Kolonien willen –, die Scheidemann-Ebert, die vier Jahre lang für den größten Aderlaß, den die Menschheit erlebt, alle Mittel bewilligten, sie schreien jetzt im heiseren Chor über den „Terror”, über die angebliche „Schreckensherrschaft”, die von der Diktatur des Proletariats drohe!

Die Herrschaften mögen in ihrer eigenen Geschichte nachblättern.

Terror und Schreckensherrschaft haben gerade in den bürgerlichen Revolutionen eine ganz bestimmte Rolle gespielt. In der großen englischen wie in der Großen Französischen Revolution war die Hinrichtung des

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