Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 328

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zur Bedrückung Schwacher erhoben ist; wird er aber zur Arbeit oder zur Verteidigung des Nächsten erhoben, dann ist seine Gewalt eine Wohltat. Wahr ist: Man löscht nicht Feuer mit Feuer und trocknet nicht Wasser mit Wasser, doch den Stein zerschmettert man mit dem Stein, den Stahl wehrt man mit dem Stahl ab und Gewalt mit Gewalt. Und noch: Die Übermacht der Römer ist das Feuer, eure Demut aber – Holz. Das Feuer wird nicht einhalten, ehe es das ganze Holz gefressen hat.”

Die „Legende” schließt mit dem Gebet Menachems: „0 Adonai, Adonai! Laß uns nie, solange wir leben, dem heiligen Gebote untreu werden: dem Kampfe wider Unrecht … Laß uns nie die Worte sprechen: Retten wir uns selber und überlassen wir die Schwachen ihrem Schicksal … Auch ich glaube, o Adonai, daß dein Reich auf Erden kommen wird. Verschwinden wird Gewalt und Unterdrückung, die Völker werden zum Fest der Verbrüderung zusammenströmen, und nie mehr wird Menschenblut von Menschenhand vergossen werden.”

Wie eine frische Brise stürmte dieses trotzige Bekenntnis in die stickigen Nebel der Indolenz und der Mystik. Korolenko bereitete zu seinem Teil die Wege einer neuen geschichtlichen „Gewalt” in Rußland, die bald ihren wohltätigen Arm erheben sollte, den Arm der Arbeit wie des Befreiungskampfes.

IV

Vor kurzem ist eine deutsche Ausgabe der Jugenderinnerungen Maxim Gorkis erschienen[1], die in mannigfacher Beziehung ein interessantes Gegenstück zu dem vorliegenden Buche Korolenkos bilden.

Künstlerisch sind die beiden Dichter gewissermaßen Antipoden. Korolenko gleich dem von ihm so hochverehrten Turgenjew eine durchaus lyrische Natur, ein weiches Gemüt, ein Mann der Stimmung; Gorki – darin ein Nachfolger der Tradition Dostojewskis – von ausgesprochen dramatischer Weltanschauung, ein Mann der zusammengeballten Energie, der Handlung. Bei Korolenko, der für alle Schrecken des sozialen Lebens einen Blick hat, erscheinen jedoch, ganz wie bei Turgenjew, in der künstlerischen Darstellung auch die größten Schrecken in eine gewisse mildernde Perspektive der Stimmung gerückt, in zarten Duft der poetischen Vision, des landschaftlichen Reizes eingehüllt. Für Gorki wie für Dostojewski ist sogar der nüchterne Alltag voller grauenhafter Gespenster, marternder Visionen, die mit unbarmherziger Schärfe, sozusagen ohne Luft

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[1] Meine Kindheit. Übers. von Scholtz, Verlag Ullstein 1917. – [Fußnote im Original]