von 1907, die sogenannten Hottentottenwahlen[1], enthüllten das ganze bürgerliche Deutschland in einem Paroxysmus der imperialistischen Begeisterung, unter einer Fahne fest zusammengeschlossen, das Deutschland von Billows, das sich berufen fühlt, als Hammer der Welt aufzutreten. Und auch diese Wahlen – mit ihrer geistigen Pogromatmosphäre ein Vorspiel zu dem Deutschland des 4. August – waren eine Herausforderung nicht bloß an die deutsche Arbeiterklasse, sondern an die übrigen kapitalistischen Staaten, eine gegen niemand im besonderen, aber gegen alle insgesamt ausgestreckte geballte Faust.
IV
Das wichtigste Operationsfeld des deutschen Imperialismus wurde die Türkei, sein Schrittmacher hier die Deutsche Bank und ihre Riesengeschäfte in Asien, die im Mittelpunkt der deutschen Orientpolitik stehen. In den fünfziger und sechziger Jahren wirtschaftete in der asiatischen Türkei hauptsächlich englisches Kapital, das die Eisenbahnen von Smyrna aus baute und auch die erste Strecke der Anatolischen Bahn bis Ismid gepachtet hatte. 1888 tritt das deutsche Kapital auf den Plan und bekommt von Abdul Hamid zum Betrieb die von den Engländern erbaute Strecke und zum Bau die neue Strecke von Ismid bis Angora mit Zweiglinien nach Skutari, Brussa, Konia und Kaizarile. 1899 erlangte die Deutsche Bank die Konzession zum Bau und Betrieb eines Hafens nebst Anlagen in Haidar Pascha und die alleinige Herrschaft über Handel und Zollwesen im Hafen. 1901 übergab die türkische Regierung der Deutschen Bank die Konzession für die große Bagdadbahn zum Persischen Golf, 1907 für die Trockenlegung des Sees von Karaviran und die Bewässerung der Konia-Ebene.
Die Kehrseite dieser großartigen „friedlichen Kulturwerke” ist der „friedliche” und großartige Ruin des kleinasiatischen Bauerntums. Die Kosten der gewaltigen Unternehmungen werden natürlich durch ein weitverzweigtes System der öffentlichen Schuld von der Deutschen Bank vorgestreckt, der türkische Staat wurde in alle Ewigkeit zum Schuldner der
[1] Unter Leitung des Reichskanzlers Bernhard von Bülow war der Wahlkampf zu den Reichstagswahlen am 25. Januar 1907 durch eine Hetzkampagne gegen alle oppositionellen Kräfte, besonders gegen die Sozialdemokratie, und durch chauvinistische Propaganda für die Weiterführung des Kolonialkrieges gegen die Hereros und Hottentotten in Afrika gekennzeichnet. (Im Jahre 1904 hatte sich in Südwestafrika das Volk der Hereros gegen die Kolonialherrschaft des deutschen Imperialismus erhoben. Die deutschen Kolonialtruppen hatten bei ihrem Unterdrückungsfeldzug auf Befehl des Generals Lothar von Trotha die Eingeborenen in die Wüste getrieben, von den Wasservorkommen abgeschnitten und damit einem grausamen Tod ausgeliefert.) Trotz der größten Stimmenzahl erhielt die Sozialdemokratie auf Grund der veralteten Wahlkreiseinteilung sowie der Stichwahlbündnisse der bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokraten nur 43 Mandate gegenüber 81 im Jahre 1903.