Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 82

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sitzer wechselt, ist eine übliche Maßnahme und Wirkung des Krieges, so gut wie jetzt der Appetit der deutschen Imperialisten ungestüm nach Belgien schreit, ohne daß vorher, im Frieden, ein Mensch, der nicht ins Irrenhaus gesperrt werden wollte, den Plan hätte entwickeln dürfen, Belgien zu schlucken. Um Südost- und Südwestafrika, um das Wilhelmsland oder um Tsingtau wäre es nie zu einem Krieg zu Lande oder zur See zwischen Deutschland und England gekommen, war doch knapp vor dem Ausbruch des heutigen Krieges zwischen Deutschland und England sogar ein Abkommen fix und fertig, das eine gütliche Verteilung der portugiesischen Kolonien in Afrika zwischen den beiden Mächten einleiten sollte.[1]

Die Entfaltung der Seemacht und des weltpolitischen Paniers auf deutscher Seite kündigte also neue und großartige Streifzüge des deutschen Imperialismus in der Welt an. Es wurde mit der erstklassigen aggressiven Flotte und mit den parallel zu ihrem Ausbau einander überstürzenden Heeresvergrößerungen erst ein Apparat für künftige Politik geschaffen, deren Richtung und Ziele unberechenbaren Möglichkeiten Tür und Tor öffneten. Der Flottenbau und die Rüstungen wurden an sich zum grandiosen Geschäft der deutschen Großindustrie, sie eröffneten zugleich unbegrenzte Perspektiven für die weitere Operationslust des Kartell- und Bankkapitals in der weiten Welt. Damit war das Einschwenken sämtlicher bürgerlicher Parteien unter die Fahne des Imperialismus gesichert. Dem Beispiel der Nationalliberalen als des Kerntrupps der imperialistischen Schwerindustrie folgte das Zentrum, das gerade mit der Annahme der von ihm so laut denunzierten weltpolitischen Flottenvorlage im Jahre 1900 definitiv zur Regierungspartei wurde; dem Zentrum trabte bei dem Nachzügler des Flottengesetzes – dem Hungerzolltarif – der Freisinn nach; die Kolonne schloß das Junkertum, das sich aus einem trutzigen Gegner der „gräßlichen Flotte” und des Kanalbaus[2] zum eifrigen Krippenreiter und Parasiten des Wassermilitarismus, des Kolonialraubs und der mit ihnen verbundenen Zollpolitik bekehrt hatte. Die Reichstagswahlen

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[1] Am 15. Juni 1914 waren Verhandlungen zwischen Deutschland und England Ober die Abgrenzung ihrer Interessen in bezug auf die Bagdadbahn und den Erwerb von Teilen des portugiesischen Kolonialreiches abgeschlossen worden. Der fertige Vertrag wurde auf Grund des Kriegsausbruchs nicht mehr unterzeichnet.

[2] Am Widerstand der ostelbischen Junker scheiterte 1899 und 1901 im preußischen Abgeordnetenhaus eine von der preußischen Regierung mit Unterstützung von Industrie- und Militärkreisen eingebrachte Vorlage über den Bau eines Verbindungskanals zwischen Rhein und Elbe, da die Agrarier das Sinken der Getreidepreise infolge der billigen Einfuhrmöglichkeiten für ausländisches Getreide befürchteten. Erst im Februar 1905 wurde die Vorlage angenommen, nachdem die Regierung auf Grund des erneuten Widerstandes der Junker auf das entscheidende Mittelstück, die Verbindung zwischen Hannover und Elbe, verzichtet hatte.