ein mit den teils projektierten, teils im Werke befindlichen oder schon vollendeten Eisenbahnlinien in Syrien und Arabien auch die Möglichkeit gewähren würde, türkische Truppen in der Richtung auf Ägypten zur Verwendung zu bringen … Es wird niemand leugnen, daß unter der Voraussetzung eines deutsch-türkischen Bündnisses und unter verschiedenen anderen Voraussetzungen, deren Verwirklichung eine noch weniger einfache Sache wäre, als jenes Bündnis, die Bagdadbahn für Deutschland eine politische Lebensversicherung bedeutet.”[1]
So offen sprachen die halboffiziösen Wortführer des deutschen Imperialismus dessen Pläne und Absichten im Orient aus. Hier bekam die deutsche Politik bestimmte weitausgreifende Umrisse, eine für das bisherige weltpolitische Gleichgewicht höchst grundstürzende, aggressive Tendenz und eine sichtbare Spitze gegen England. Die deutsche Orientpolitik wurde so der konkrete Kommentar zu der 1899 inaugurierten Flottenpolitik.
Zugleich setzte sich Deutschland mit seinem Programm der Integrität der Türkei in Gegensatz zu den Balkanstaaten, deren historischer Abschluß und innerer Aufschwung mit der Liquidierung der europäischen Türkei identisch ist. Endlich geriet es in Gegensatz zu Italien, dessen imperialistische Appetite sich in erster Linie auf türkische Besitzungen richten. Auf der marokkanischen Konferenz in Algeciras 1906[2] stand denn auch Italien bereits auf seiten Englands und Frankreichs. Und sechs Jahre später war die tripolitanische Expedition Italiens[3], die sich an die österreichische Annexion Bosniens[4] anschloß und ihrerseits zu dem ersten Balkan-
[1] Paul Rohrbach: Der Krieg und die deutsche Politik, Dresden 1914, S. 18 f.
[2] In der Quelle: 1905. – Auf der Konferenz von Algeciras war am 7. April 1906 ein Vertrag unterzeichnet worden, durch den die erste Marokkokrise von 1905 beendet wurde. Der Vertrag garantierte Marokko formal die Unabhängigkeit, festigte aber den Einfluß Frankreichs in Marokko, indem er die Polizei des Landes auf fünf Jahre französischer und spanischer Kontrolle unterstellte. Deutschland hatte sich durch seine imperialistische Abenteuerpolitik außenpolitisch fast völlig isoliert. Italien hatte nicht seinen Dreibundpartner Deutschland, sondern Frankreich unterstützt, mit dem es ein Geheimabkommen über die Verteilung der Einflußsphären in Nordafrika und ein geheimes Neutralitätsabkommen abgeschlossen hatte.
[3] Im September 1911 hatte Italien einen Krieg gegen die Türkei provoziert. Unter Ausnutzung der Gegensätze um Marokko gelang es Italien, im Oktober 1912 Tripolis und die Cyrenaica zu annektieren.
[4] Im Oktober 1908 hatte Österreich-Ungarn die von ihm bisher verwalteten Gebiete Bosnien und Herzegowina annektiert und dadurch das ohnehin gespannte Verhältnis zu Serbien verschärft. Die deutsche Regierung hatte Österreich-Ungarn unterstützt und Rußland zur Anerkennung der Annexion gezwungen. Dieser Gewaltakt führte zur weiteren Isolierung Deutschlands und Österreich-Ungarns, da sich die Ententemächte enger zusammenschlossen und auch Italien, das sich in einem Geheimabkommen mit Rußland im Oktober 1908 verpflichtet hatte, für Neutralität und Erhaltung des Status quo auf dem Balkan einzutreten, und dafür von Rußland freie Hand für die Eroberung von Tripolis und der Cyrenaica erhalten hatte, vom Dreibund abrückte.