Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 60

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„Die Internationale vertritt alle sittlichen Kräfte in der Welt! Und wenn einmal die tragische Stunde schlägt, in der wir uns ganz hingeben müßten, dieses Bewußtsein würde uns stützen und stärken. Nicht nur leichthin gesprochen, nein, aus dem Tiefsten unseres Wesens erklären wir, wir sind zu allen Opfern bereit!”[1] [Hervorhebung – R. L.]

Es war wie ein Rütlischwur. Die ganze Welt richtete die Blicke auf das Basler Münster, wo die Glocken zur künftigen großen Schlacht zwischen der Armee der Arbeit und der Macht des Kapitals ernst und feierlich läuteten.

Am 3. Dezember 1912 sprach der sozialdemokratische Fraktionsredner David im deutschen Reichstag:

„Das war eine der schönsten Stunden meines Lebens, das bekenne ich. Als die Glocken des Münsters den Zug der Internationalen Sozialdemokraten begleiteten, als die roten Fahnen im Chor der Kirche um den Altar sich aufstellten und als Orgelklang die Sendboten der Völker begrüßte, die den Frieden verkünden wollten, da war das allerdings ein Eindruck, den ich nie vergessen werde … Was sich hier vollzieht, das sollte Ihnen doch klarwerden. Die Massen hören auf, willenlose, gedankenlose Herden zu sein. Das ist neu in der Geschichte. Früher haben sich die Massen blindlings von denen, die Interesse an einem Krieg hatten, gegeneinander aufhetzen und in den Massenmord treiben lassen. Das hört auf. Die Massen hören auf, willenlose Instrumente und Trabanten irgendwelcher Kriegsinteressenten zu sein.”[2] [Hervorhebungen – R. L.]

Noch eine Woche vor Ausbruch des Krieges, am 26. Juli 1914, schrieben deutsche Parteiblätter:

„Wir sind keine Marionetten, wir bekämpfen mit aller Energie ein System, das die Menschen zu willenlosen Werkzeugen der blind waltenden Verhältnisse macht, diesen Kapitalismus, der das nach Frieden dürstende Europa in ein dampfendes Schlachthaus zu verwandeln sich anschickt. Wenn das Verderben seinen Gang geht, wenn der entschlossene Friedenswille des deutschen, des Internationalen Proletariats, der in den nächsten Tagen sich in machtvollen Kundgebungen offenbaren wird, nicht imstande sein sollte, den Weltkrieg abzuwehren, dann soll er wenigstens

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[1] Außerordentlicher Internationaler Sozialisten-Kongreß zu Basel am 24. und 25. November 1912, S. 27.

[2] Verhandlungen des Reichstags. XIII. Legislaturperiode, I. Session, Bd. 286. Stenographische Berichte, Berlin 1913, S. 2517 f.