Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 437

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widersprochen gebliebene Kundgebung des Vollzugsrats vom 11. November lautete, das höchste Organ der Republik sein sollte, dann war damit ohne weiteres gegeben, daß auch der „Rat der Volksbeauftragten”, d. h. die Ebert–Haase, dem Vollzugsrat gleich allen anderen Reichsbehörden untergeordnet sein mußte. Das Ebert-Haase-Kabinett konnte einzig und allein ausführendes Organ des Vollzugsrats und seines Willens sein.

Dies und nichts anderes war auch die Auffassung auf allen Seiten im ersten Augenblick nach der Entstehung der beiden Körperschaften.

Die dauerte aber nicht lange. Am anderen Tage bereits begann die sichtbare Bestrebung der Scheidemänner, das Ebertsche Kabinett erst als unabhängiges Organ neben und dann Schritt um Schritt über den Vollzugsrat zu setzen. Der alte Satz Lassalles von der geschriebenen Verfassung und den realen Machtverhältnissen sollte sich wieder einmal bewahrheiten. Das Recht der Souveränität war nach dem Willen der A.- u. S.-Räte auf seiten des Vollzugsrates, die tatsächliche Macht aber haben die Ebert und Co. auf ihre Seite zu bringen gewußt.

Durch endlose Kommissionssitzungen, Kompetenzberatungen, Verschleppungsmanöver wußten die Leute den Vollzugsrat hinzuhalten und die Frage des gegenseitigen Verhältnisses in Schwebe zu halten. Derweil aber vor den Kulissen debattiert wurde, haben die Ebert-Leute hinter den Kulissen gehandelt. Sie haben die gegenrevolutionären Elemente mobil gemacht, sich auf das reaktionäre Offizierskorps gestützt, sich in der Bourgeoisie und dem Militär Stützpunkte geschaffen und den Vollzugsrat mit skrupellosem Zynismus an die Wand gedrückt.

Die reife Frucht dieser emsigen Umtriebe, die Aktion, die sie abschließen sollte, war der Putsch des 6. Dezember[1], der die Ebert-Diktatur zu proklamieren, den Vollzugsrat aber zu beseitigen hatte, und die Vollendung dieser Aktion ist der Einzug der Gardetruppen in Berlin.

Zur Charakteristik der heutigen Lage des Vollzugsrats genügt es festzustellen, daß ein Akt von so ungeheurer Wichtigkeit wie der Einmarsch der Truppen, wie ihre Nichtentwaffnung ohne die Bewilligung, ja gegen den Protest des Vollzugsrats geschehen ist.

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[1] Organisiert vom sozialdemokratischen Berliner Stadtkommandanten Otto Wels, dem Generalkommando des Gardekorps, dem Kriegsministerium und dem Auswärtigen Amt, hatten am 6. Dezember 1918 von reaktionären Offizieren geführte Truppenteile einen Putschversuch unternommen. Sie verhafteten den Vollzugsrat der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte, besetzten die Redaktion der „Roten Fahne, riefen Friedrich Ebert zum Präsidenten aus und schossen in der Chausseestraße in eine unbewaffnete Demonstration, wobei sie 14 Personen töteten und weitere 30 verwundeten.