Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 438

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Das Ganze krönt der Eid, den die Gardetruppen in die Hand Eberts geleistet haben:

„Wir geloben, zugleich im Namen der von uns vertretenen Truppenteile, unsere ganze Kraft für die einige deutsche Republik und ihre provisorische Regierung, den Rat der Volksbeauftragten, einzusetzen.”

Die Gardetruppen wurden also aufgefordert zu schwören, nur für den Rat der Volksbeauftragten einzutreten. Nur das Ebert-Kabinett ist „die Regierung”, der Vollzugsrat ist nicht einmal erwähnt, er existiert nicht! Er wird wie Luft behandelt.

Die ganze Aktion des Empfangs der Truppen, ihrer Nichtentwaffnung, ihrer Vereidigung ist offensichtlich ohne den Vollzugsrat, hinter seinem Rücken gemacht. Wir sind felsenfest überzeugt, daß der Vollzugsrat über den ganzen Vorgang erst wie das übrige Publikum aus den Zeitungen erfahren hat.

Ja, diese Aktion, dieser Eid, aus dem der Vollzugsrat völlig ausgeschlossen ist, erscheinen eben dadurch als direkt gegen den Vollzugsrat gerichtet! Der Einmarsch der Garde, ihre Bewaffnung, ihr Eid – das war eine Demonstration des Ebertschen Kabinetts, eine Machtentfaltung, eine Drohung und eine Provokation in erster Linie gegen den Vollzugsrat der A.- u. S.-Räte!

Der Vollzugsrat ist ein Schatten, ein Nichts – das sollte die Ebertsche Demonstration beim Gardeempfang vor aller Welt sagen.

Und diese Dreistigkeit, dieses Selbstbewußtsein der Gegenrevolution 4 Wochen nach der Revolution, die Arbeiter und Soldaten gemacht haben!

Es ist klar, daß im Vollzugsrat die A.- u. S.-Räte, in ihnen die Arbeiter- und Soldatenmasse getroffen werden sollten. Ihr Organ, das Organ der proletarischen Revolution, ist zur völligen Ohnmacht verurteilt worden, die Macht ist ihnen aus den Händen gewunden und an die gegenrevolutionäre Bourgeoisie ausgeliefert worden.

Freilich, kein politischer Machtfaktor läßt sich je die Macht entgleiten, es sei denn durch eigene Schuld. Nur die Aktionsunfähigkeit und die eigene Indolenz des Vollzugsrats hat den Ebert–Scheidemann das Spiel ermöglicht.

Die Leidtragende ist aber die Arbeitermasse selbst. An ihr liegt es, bei dem bevorstehenden Zusammentritt des Reichsparlaments der A.- u. S.-Räte einen Vollzugsrat zu schaffen, der mehr als ein Schattendasein zu führen imstande ist, und den Ebert und Co. die durch gegenrevolutionäre Umtriebe erschlichene Macht mit starker Faust zu entreißen. Wenn die

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