Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 436

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Freilich, er wurde vorerst nur vom Berliner A.- u. S.-Rat gewählt. Die Einberufung des Reichsparlaments der A.- u. S.-Räte ließ sich nicht sofort bewerkstelligen, so sollte denn der vom Berliner A.- u. S.-Rat gewählte Vollzugsrat provisorisch als das Zentralorgan der deutschen Arbeiter und Soldaten fungieren.

Demnach sollte der Vollzugsrat bis zum Zusammentritt des Zentralrats der A.- u. S.-Räte die höchste Behörde des D’eutschen Reiches sein, der Träger der Souveränität des gesamten arbeitenden Volkes, das oberste Organ der Macht der sozialistischen Republik.

So lautet auch die erste Kundgebung, womit sich der Vollzugsrat am anderen Tage nach seiner Konstituierung, am 11. November, eingeführt hatte:

„An die Einwohner und Soldaten

Groß-Berlins!

Der von den Arbeiter- und Soldatenräten Groß-Berlins gewählte Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrats hat seine Tätigkeit aufgenommen.

Alle kommunalen, Landes-, Reichs- und Militärbehörden setzen ihre Tätigkeit fort. Alle Anordnungen dieser Behörden erfolgen im Auftrage des Vollzugsrats des Arbeiter- und Soldatenrats.”[1] [Hervorhebung – R. L.]

Hier ist klipp und klar, ohne daß der geringste Widerspruch von irgendeiner Seite erfolgt wäre, die selbstverständliche Tatsache ausgesprochen, daß der Vollzugsrat die ganze Fülle der politischen Macht in der Republik darstellt, daß alle anderen Organe und Behörden des Reiches ihm untergeordnet, nur ausführende Organe seines Willens sind.

Was ist nun aus dieser souveränen Machtposition in den kurzen vier Wochen geworden, die seitdem verflossen sind!

Neben dem Vollzugsrat ist gleichzeitig von Anfang an ein „Rat der Volksbeauftragten”, das „politische Kabinett” der Ebert–Haase, eingesetzt worden.[2]

Zuerst aus einer paritätischen Abmachung der Abhängigen und der Unabhängigen Partei hervorgegangen, wurde dieser Rat der Volksbeauftragten bekanntlich von derselben Plenarsitzung der Großberliner A.- u. S.-Räte im Zirkus Busch am 10. November bestätigt, die den Vollzugsrat gewählt hat.

Welches sollte das Verhältnis der beiden Organe sein? Es ist klar, wenn der Vollzugsrat, wie es die A.- u. S.-Räte wünschten und wie die un-

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[1] Vorwärts (Berlin), Nr. 313 vom 13. November 1918.

[2] Am 10. November 1918 war der Rat der Volksbeauftragten, in den neben Friedrich Ebert, Otto Landsberg und Philipp Scheidemann von der SPD, Emil Barth, Wilhelm Dittmann und Hugo Haase von der USPD eingetreten waren, von der Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte als provisorische Regierung bestätigt worden.