Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 387

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Finnland, Polen, Litauen, Ukraine, Kaukasus – sowie zu den Nachbarstaaten – Rumänien.

Die allgemeine Konsequenz dieses unumschränkten Schaltens und Waltens Deutschlands in Rußland war naturgemäß eine ungeheure Stärkung der Position des deutschen Imperialismus nach innen wie nach außen und dadurch selbstverständlich Anfachung des Widerstands und des Kriegswillens der Ententeländer bis zum Weißglühen, also Verlängerung und Verschärfung des Weltkrieges. Ja, noch mehr: Die der deutschen fortschreitenden Okkupation gegenüber an den Tag gelegte Widerstandslosigkeit Rußlands mußte naturgemäß auch die Entente und Japan zu einer Gegenaktion auf russischem Gebiete anlocken, um das ungeheure Übergewicht Deutschlands zu parieren und gleichfalls an dem wehrlosen Koloß die imperialistischen Appetite zu befriedigen. Nun werden der Norden und Osten des europäischen Rußlands sowie ganz Sibirien abgeschnürt, und die Bolschewiki werden von den letzten Lebensquellen abgesperrt.[1]

So wird die russische Revolution im Endresultat des Brester Friedens von allen Seiten umzingelt, ausgehungert, erdrosselt.

Aber auch im Innern, auf dem von Deutschland den Bolschewiki noch übriggelassenen Terrain, mußte die Herrschaft und die Politik der Revolution in schiefe Bahnen gedrängt werden. Die Attentate auf Mirbach und Eichhorn[2] sind eine begreifliche Antwort auf die Schreckensherrschaft des deutschen Imperialismus in Rußland. Die Sozialdemokratie hat freilich seit jeher den Terror als Einzelakte verworfen, aber nur, weil sie ihm den Massenkampf als wirksameres Mittel entgegenstellte, nicht weil sie ihm passives Dulden der reaktionären Gewaltherrschaft vorzog. Es ist natürlich nur eine der offiziösen Fälschungen des WTB[3], daß die linken Sozialrevolutionäre diese Attentate auf Anstiftung oder im Auftrage der Entente ausführten. Diese Attentate sollten entweder Signal für einen Massenaufstand gegen die deutsche Herrschaft sein, oder sie waren nur

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[1] Mit der Landung englischer und amerikanischer Truppen in Murmansk sowie japanischer und amerikanischer Truppen in Wladiwostok im Frühjahr 1918 hatte die ausländische militärische Intervention in Sowjetrußland begonnen. Die Interventen vereinigten sich mit den einheimischen Konterrevolutionären zur Vernichtung der Sowjetmacht. Der Roten Armee gelang es bis Ende 1920, die Hauptkräfte der Interventen und Weißgardisten zu zerschlagen. Im Fernen Osten währte der Krieg gegen die Japaner und Weißgardisten bis 1922.

[2] Am 6. Juli 1918 wurden in Moskau der deutsche Botschafter Wilhelm Graf von Mirbach-Harft und am 30. Juli 1918 in Kiew der Generalfeldmarschall Hermann von Eichhorn, Oberbefehlshaber der deutschen Truppen in der Ukraine, von linken Sozialrevolutionären ermordet. Durch die Attentate sollte ein Krieg mit Deutschlandprovoziert werden. Der Sowjetregierung, die diese individuellen Terrorakte verurteilte, gelang es, die Absicht der Sozialrevolutionäre zu durchkreuzen und den drohenden Krieg abzuwenden.

[3] Wolffs Telegraphisches Büro.