Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 377

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sorten aus einem ganz anderen Loch als zur Zeit der päpstlichen Friedensnote.[1]

So liegen die Dinge, und die Bolschewisten begehen eine Selbsttäuschung, wenn sie im Lichte ihres Sonderfriedens auch den Himmel des allgemeinen Friedens voller Baßgeigen hängen sehen. Die „dritten Lachenden” bei der russischen Revolution sind bis jetzt einzig und allein – Hindenburg und die Alldeutschen.

Wenn sich jedoch so Dinge und Wirkungen in ihr Gegenteil verkehren, so ist die Schuld keineswegs in erster Linie auf seiten der Russen zu suchen. Sie waren von vornherein in der fatalen Lage, zwischen zwei Trachten Prügel wählen zu müssen: entweder der Entente Vorspanndienste zu leisten oder dem deutschen Imperialismus. Das erstere erheischte aber die Fortsetzung des Krieges, das zweite – den Friedensschluß. Was Wunder, daß sie schließlich das letztere wählten!

Die ganze Rechnung des russischen Friedenskampfes beruhte nämlich auf der stillschweigenden Voraussetzung, daß die Revolution in Rußland das Signal zur revolutionären Erhebung des Proletariats im Westen: in Frankreich, England und Italien, vor allem aber in Deutschland, werden sollte. In diesem Falle allein, dann aber unzweifelhaft, wäre die russische Revolution der Anfang zum allgemeinen Frieden geworden. Dies blieb bis jetzt aus. Die russische Revolution ist, abgesehen von einigen tapferen Anstrengungen des italienischen Proletariats, von den Proletariern aller Länder im Stich gelassen worden. Die Klassenpolitik des Proletariats, von Hause aus und in ihrem Kernwesen international, wie sie ist, kann aber nur international verwirklicht werden. Bleibt sie nur auf ein Land beschränkt, während die Arbeiterschaft anderer Länder bürgerliche Politik treibt, dann wird auch die Aktion des revolutionären Vortrupps in ihren weiteren Folgen auf den Kopf gestellt. Und so ist auch die einzige bisherige Internationale Wirkung der russischen Revolution eine gewaltige Machtstärkung des deutschen Imperialismus und eine allgemeine Verschärfung des Weltkriegs. Die Schuld an diesem tragischen geschichtlichen Quidproquo fällt in erster Linie auf das deutsche Proletariat. Auf ihm ruht die Hauptverantwortung vor der Geschichte für die ungeheuren Blutströme, die nunmehr vergossen werden, wie far die sozialen und politischen Folgen einer möglichen Niederringung der Weststaaten durch den

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[1] Papst Benedikt XV. hatte am 1. August 1917 die Regierungen der kriegführenden Staaten aufgefordert, einen gerechten und dauerhaften Frieden herbeizuführen. Als Grundlage für die Friedensverhandlungen empfahl er folgende Punkte: Verminderung des Rüstungswesens, Einrichtung eines Schiedsgerichts. Garantie der Freiheit der Meere. Verzicht auf Kriegsentschädigungen, Rückerstattung augenblicklich besetzter Gebiete und friedliche Einigung über strittige Gebietsfragen.