Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 4, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2000, S. 300

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schen Reichtums lediglich aus unbezahlter Arbeit des Lohnproletariats. Wie kann in der Tat der Kapitalist, der verhältnismäßig große Portionen seines Kapitals in toten Produktionsmitteln anlegen muß, den gleichen Profit erzielen wie sein Kollege, der geringe Ausgaben dieser Art hat und desto mehr lebendige Arbeit anspannen kann?

Nun, Marx löst das Rätsel mit erstaunlicher Einfachheit auf, indem er zeigt, wie durch den Verkauf der einen Warensorten über ihrem Wert, der anderen aber unter ihrem Wert sich die Unterschiede des Profits ausgleichen und ein für alle Zweige der Produktion gleicher „Durchschnittsprofit” sich herausbildet. Ohne daß die Kapitalisten eine Ahnung davon haben, ohne jede bewußte Verständigung unter ihnen verfahren sie beim Austausch ihrer Waren so, daß sie gewissermaßen jeder den aus seinen Arbeitern geschöpften Mehrwert mit zuhauf tragen und diese Gesamternte der Ausbeutung brüderlich untereinander verteilen, jedem nach der Größe seines Kapitals. Der Einzelkapitalist genießt also gar nicht den von ihm persönlich erzielten Profit, sondern nur einen auf ihn entfallenden Teil der von allen seinen Kollegen erzielten Profite. „Die verschiednen Kapitalisten verhalten sich hier, soweit der Profit in Betracht kommt, als bloße Aktionäre einer Aktiengesellschaft, worin die Anteile am Profit gleichmäßig pro 100 verteilt werden und daher für die verschiednen Kapitalisten sich nur unterscheiden nach der Größe des von jedem in das Gesamtunternehmen gesteckten Kapitals, nach seiner verhältnismäßigen Beteiligung am Gesamtunternehmen.”[1]

Welch tiefen Einblick gewährt dies anscheinend ganz trockene Gesetz der „durchschnittlichen Profitrate” in die feste materielle Grundlage der Klassensolidarität der Kapitalisten, die, obschon im täglichen Treiben feindliche Brüder, doch gegenüber der Arbeiterklasse einen Freimaurerbund bilden, der an ihrer Gesamtausbeutung aufs höchste und aufs persönlichste interessiert ist! Ohne daß sich die Kapitalisten natürlich im geringsten dieser objektiven ökonomischen Gesetze bewußt sind, äußert sich in ihrem untrüglichen Instinkt der herrschenden Klasse ein Sinn für die eigenen Klasseninteressen und deren Gegensatz zum Proletariat, der sich leider durch alle Stürme der Geschichte viel sicherer bewährt als das wissenschaftlich – eben durch die Werke von Marx und Engels – auf geklärte und begründete Klassenbewußtsein der Arbeiter.

Diese beiden kurzen und aufs Geratewohl herausgerissenen Belege mögen eine Vorstellung davon geben, wieviel ungehobene Schätze an

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[1] Karl Marx: Das Kapital. Dritter Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 25, S. 168.